Asien Kurier  2/2010 vom 1. Februar 2010
China

Arbeitsrecht in China

Von Dr. Doreen Pick in Berlin

Jedes Unternehmen, das auf fremdem M�rkten Fu� fassen will, steht vor der Herausforderung vor Ort ein umsichtiges Personalmanagement aufzubauen. Dabei gilt es, nicht nur qualifizierte Mitarbeiter zu finden, es m�ssen auch die landesspezifischen arbeitsrechtlichen Bestimmungen ber�cksichtigt werden. Der Asien Kurier hat mit dem Arbeitsrechtler Dr. Rolf Geffken �ber die Besonderheiten des chinesischen Arbeitsrechts gesprochen.

Asien Kurier: Herr Dr. Geffken, Sie besch�ftigen sich seit vielen Jahren intensiv mit den verschiedenen Facetten des Arbeitsrechts in China und haben in diesem Zusammenhang k�rzlich den wohl ersten dreisprachigen Kommentar zum neuen chinesischen Arbeitsrecht herausgegeben. Wie lauten die zentralen Schlagw�rter, mit denen Unternehmen im Reich der Mitte in puncto Arbeitsrecht konfrontiert sind?

Rolf Geffken: Wachsendes Selbstbewusstsein chinesischer Arbeitnehmer, h�here Kontrollbereitschaft chinesischer Arbeitsverwaltungen, allm�hlicher Funktionswandel der chinesischen Gewerkschaften und steigendes �ffentliches Interesse an fairen Arbeitsstandards.

Asien Kurier: Gibt es Unterschiede im Arbeitsrecht f�r normale Arbeiter, Angestellte und F�hrungspersonal?

Rolf Geffken: Es gibt im Wesentlichen keine Unterschiede zwischen normalen Angestellten und Managern. Das neue Arbeitsvertragsgesetz vereinheitlicht die Regelungen ganz bewusst. Das gilt f�r alle diejenigen, die bislang oft "vertragslos" waren (wie vor allem Wanderarbeitnehmer), aber auch f�r alle anderen Arten von Besch�ftigten.

Asien Kurier: Wie stark interveniert der chinesische Staat bei arbeitsrechtlichen Fragen? Gibt es so etwas wie Tarifautonomie?

Rolf Geffken: Die chinesische Arbeitsverwaltung mischt sich zunehmend in arbeitsrechtliche Fragen ein. Das muss sie auch von Gesetzes wegen, denn die staatlichen Kontrollkompetenzen sind weit gr��er als in Deutschland. Man darf nicht vergessen, dass es kein gewachsenes Betriebsr�tesystem und keine unabh�ngigen Gewerkschaften gibt. Demzufolge muss der Staat die Kontrollaufgaben wahrnehmen, die in Deutschland traditionell diesen Organisationen zur Vertretung von Arbeitnehmerinteressen zukommen. Es gibt zwar auch Beteiligungsrechte der Betriebsgewerkschaften beispielweise bei K�ndigungen. Doch sind diese Rechte nicht mit der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland vergleichbar. Eine Tarifautonomie gibt es schon deshalb nicht, weil es keine unabh�ngigen Gewerkschaften gibt. Die jetzt vermehrt abgeschlossenen "Kollektivvertr�ge" sind eher mit deutschen "Betriebsvereinbarungen" vergleichbar. Sie sind aber rein faktisch auch das Bindeglied von zunehmend spontanen Aktionen der Belegschaften und der Gewerkschaften: Obwohl diese nicht streiken d�rfen, �bernehmen sie oftmals das spontan erzielte Ergebnis geduldeter Arbeitsniederlegungen in Form von Kollektivvertr�gen.

Asien Kurier: Auf welche Besonderheiten im chinesischen Arbeitsrecht m�ssen sich ausl�ndische Unternehmen unbedingt einstellen? Gelten f�r sie andere Ma�st�be als f�r chinesische Unternehmen?

Rolf Geffken: Ausl�ndische Unternehmen m�ssen alle Regelungen des neuen Gesetzes (lao dong he tong fa) und auch des alten Gesetzes (lao dong fa) beachten. Das letztere ist keinesfalls au�er Kraft getreten. Es ist nur teilweise �berholt durch speziellere Regelungen des Arbeitsvertragsgesetz. Man kann sogar sagen - das wurde auch in der Diskussion beim Konfuzius Institut in Berlin am 18. Januar deutlich - dass ausl�ndische Unternehmen bisweilen intensiver kontrolliert werden als inl�ndische Unternehmen. Es hat in China sogar schon eine gewisse Tradition, dass das Arbeitsrecht indirekt als Steuerungsinstrument f�r Investitionen und Unternehmensgr�ndungen eingesetzt wird.

Asien Kurier: Wie k�nnen sich Unternehmen auf diese "Sonderbehandlung" einstellen?

Rolf Geffken: Mein Rat: Unbedingt umfassenden rechtlichen Expertenrat einholen. Unternehmensberater oder chinesische Anw�lte sollten dabei nur begrenzt hinzugezogen werden, denn deutsche Unternehmen m�ssen letztlich in ihrer eigenen "Sprache" verstehen und ein�ben, worauf es arbeitsrechtlich in China ankommt.