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Asien Kurier  7/2014 vom 1. Juli 2014
China

Chinas Internetriesen führend bei Online-Finance

Alipay kontrolliert knapp die Hälfte des Onlinezahlungsmarktes. "Wenn sich die Banken nicht ändern, dann werden wir die Banken ändern."

Von Christiane Neubauer

Beijing. Traditionelle Finanzmarktakteure wie Banken und Brokerhäuser haben die schnell wachsende Mittelschicht Chinas noch nicht erschlossen. Die Internetriesen des Landes versuchen, ihnen zuvor zu kommen.

In vieler Hinsicht durchlief die Entwicklung des Internets in China denselben zweistufigen Prozess wie es auch anderweitig der Fall war: Man hat auf den US-amerikanischen Gewinner gewartet und dann eine chinesische Version auf den Markt gebracht. Zuerst kam chinesische Alibaba, das sich Amazon zum Vorbild nahm, und danach das chinesische Google namens Baidu. Bei Onlinefinanzdienstleistungen jedoch verfolgen die Chinesen einen anderen Kurs.

2004 besass ein Prozent der Chinesen eine Kreditkarte
Heutzutage ist E-Commerce in den USA oder in Westeuropa natürlich fast gleichbedeutend mit dem Handel selbst. Die meisten US-Bürger kaufen Waren online und zahlen mit Kreditkarte, Debitkarte oder Zahlsystemen wie PayPal. Anders in China: Noch vor fünf Jahren gab es für die chinesischen Verbraucher keinen einfachen Weg, Waren im Internet zu kaufen. Laut dem jüngsten Bericht eines in China ansässigen Analystenteams der Credit Suisse ändert sich dies derzeit auf eine Weise, die einzigartig ist für den grössten E-Commerce-Markt der Welt. 2004 besass nur ca. ein Prozent aller Chinesen eine Kreditkarte, und obwohl diese Zahl rasch angestiegen ist, waren es 2008 immer noch weniger als zehn Prozent der Bevölkerung. Während US-Bürger vorsichtig waren, ihre Kreditkartennummern im Internet zu verwenden, hatten die meisten potenziellen-Internet-Käufer in China noch nicht einmal eine Kreditkartennummer. Der chinesische Internetriese Alibaba hat sich diese Lücke durch die Einführung seines Onlinezahlungssystems, AliPay, zunutze gemacht.

AliPay setzt neue Massstäbe
Bis Februar 2009 hat AliPay 150 Millionen gewonnen, inzwischen sind es gar 300 Millionen Nutzer ? ein durchschlagender Erfolg. Aber es handelt sich nicht nur um einen PayPal-Klon, der Geld von Käufern an die Verkäufer überweist. Warum? Chinesische Verbraucher waren und sind immer noch etwas besorgt, dass sie von lokalen Händlern und Einzelpersonen betrogen werden könnten. Um diese Bedenken zu zerstreuen, hat Alipay ein Treuhandmodell entwickelt, bei dem die Zahlung auf einem speziellen Konto verbleibt, bis der Kunde den Eingang der erworbenen Ware sowie deren angekündigte Beschaffenheit bestätigt hat. Dieser einfache Kniff riss den Onlinezahlungsmarkt aus seinem Dornröschenschlaf; der Gesamtbetrag der Onlinetransaktionen stieg von fast Null im Jahr 2008 auf ca. 4 Billionen Renminbi (ca. 470 Mrd. Euro, 1 Euro = 8,50 Renminbi, Mittelwert März bis Mai 14) im Jahr 2012.

Wettbewerber kommen
Zu diesem Zeitpunkt tauchte sehr schnell eine Reihe von Mitbewerbern auf, einschliesslich Tenpay (ein Tochterunternehmen des Internetriesen Tencent) und BaiPay (eingeführt von Baidu, dem Unternehmen hinter der wichtigsten chinesischen Suchmaschine). Einige alteingesessene Finanzinstitute wie China UnionPay ? ein Zahlungssystem ähnlich dem von Visa ? sprangen auf den fahrenden Zug auf, aber der grösste Anteil des Markts ist in den Händen der Internetakteure. Alipay kontrolliert knapp die Hälfte des Onlinezahlungsmarktes, Tenpay ca. 20 Prozent und China UnionPay etwas mehr als zehn Prozent. China UnionPay ist immer noch das vorherrschende System für die Bearbeitung von Offline-Transaktionen, hat aber einen viel geringeren Anteil am Markt für Onlinezahlungen. Alle drei haben ihren Fokus auf normale Verbraucher gerichtet, die online einkaufen oder ihre Rechnungen bezahlen, während sich kleinere Wettbewerber auf Nischenmärkte spezialisiert haben. Das Zielpublikum von China PnR sind beispielsweise Reisebüros. Sie strecken diesen Geld für den Kauf von Tickets vor und bekommen dieses nach Zahlung durch den Reisenden zurückerstattet.

Onlinezahlungen werden sich bis 2016 vervierfachen
Trotz des rasanten Wachstums von E-Commerce vertrauen viele chinesische Verbraucher Kreditkarten- und Zahlungsservices immer noch nicht ganz. Die Credit Suisse schätzt, dass zwischen 30 und 40 Prozent aller Onlinetransaktionen noch immer per Nachnahme erfolgen. Aber dieser Anteil geht zurück, da immer mehr Chinesen die Annehmlichkeiten von Online-Services zur Zahlung ihrer Stromrechnung, dem Laden von Mobiltelefonen ohne Vertrag oder sogar für die Zahlung ihrer Kreditkartenrechnung zu schätzen wissen. Die Analysten sagen voraus, dass sich die Gesamtzahl der Onlinezahlungstransaktionen von 6 Billionen Renminbi (ca. 706 Mrd. Euro) bis 2016 vervierfachen könnte.

Internetunternehmen v/s Banken
Noch weit höher könnten die Zahlen ausfallen für die Zeit, nachdem sich der Markt für Onlinezahlungen etabliert hat. Millionen von Bürgern der neuen chinesischen Mittelschicht brennen darauf, Finanzdienstleistungen wie einfache Bankkonten oder Kredite bis hin zu komplexeren Finanzprodukten wie Versicherungen oder Depots zu nutzen. Und auch hier konkurrieren die chinesischen Internetunternehmen mit traditionellen Banken, Brokern und Versicherungsunternehmen auf diesem Gebiet. Es ist so, als wenn Amazon angefangen hätte, Kontokorrentkonten anzubieten. Alibaba ist bereits eingestiegen. Die Tochtergesellschaft, Alipay, hat im Mai 2011 nach elfjähriger Wartezeit von der chinesischen Regierung endlich eine sogenannte Third-Party Payment License erhalten. In den letzten drei Jahren hat Alibaba zudem Anteile an drei Kleinkreditunternehmen erworben und einen Onlinemarktplatz für Versicherungsprodukte gestartet. Der kühnste Schritt des Unternehmens jedoch war, als es im Juni 2013 einen Geldmarktfonds namens Yu'E Bao lancierte. Wörtlich übersetzt bedeutet dies so viel wie "übriggebliebener Schatz". Per 15. Januar verfügte der Fonds über ca. 250 Milliarden Renminbi (29,4 Mrd. Euro) verwaltetes Vermögen und knapp 49 Millionen Konten.

Aktienfonds könnten ähnliches Wachstum
Beachtlicherweise scheint es so, dass E-Commerce-Unternehmen auch hier die treibende Kraft bei der völligen Umgestaltung des chinesischen Finanzsektors waren. Chinesische Geldmarktfonds besassen im November 2013 ein verwaltetes Vermögen von 575 Milliarden Renminbi (67,6 Mrd. Euro) und die Credit Suisse in der VR China schätzt, dass die Zahl bis 2020 auf bis zu 5,4 Billionen Renminbi (635 Mrd. Euro) bzw. 10 Prozent des BIP ansteigen könnte. Dies wäre ein schnelleres Wachstum gemessen am BIP als dies die Geldmärkte nach ihrem Entstehen in den USA in den späten 1970er Jahren erlebt haben. Andere Finanzprodukte, einschliesslich Aktienfonds, könnten nach Meinung von Analysten in China ein ähnlich rasantes Wachstum erleben. Die entscheidende Frage lautet jedoch, wer wird diese bereitstellen: die alteingesessenen Finanzinstitute oder die zunehmend diversifizierten Internetriesen. "Wenn sich die Banken nicht ändern, dann werden wir die Banken ändern."

Es kann schwierig sein, Kunden vom Finanzdienstleistungsanbieter ihres Vertrauens abzuwerben, daher haben so viele traditionelle Makler und Banken immer noch so viele Kunden in den USA. Wenn die Anbieter von Onlinefinanzprodukten den Kunden jedoch an sieben Tagen in der Woche einen praktischen 24-Stunden-Service anbieten, verändert das den Markt. Ein zusätzlicher Vorteil ist eine Rendite, die um ein Vielfaches höher ist als die bei konventionellen Instituten. Vor diesem Hintergrund sind neue Marktakteure in China gut positioniert, um konkurrenzfähig zu sein. Brauchen Sie eine Bank? Da sie nicht in ein Filialnetz investieren müssen, sind die Kosten von Onlineunternehmen wahrscheinlich geringer. Welcher Marke sollten Sie Ihr Geld anvertrauen? Baidu verfügt dank seines beeindruckenden Onlineverkehrs (ca. 6 Mrd. Suchanfragen pro Tag) und 46.000 bestehenden Werbekunden über eine enorme Marketing-Plattform und ist bei den chinesischen Verbrauchern bekannter als es eine Bank jemals sein wird. Und in Bezug auf den Aufbau einer Kundenbeziehung mit Jungkunden: Laut Angaben von Alibaba ist der durchschnittliche YuE Bao-Kontoinhaber 26 Jahre alt. Für diesen jungen Kundenstamm ist das relativ geringe Risiko der Dienstleistungen, der einfach Zugang zu Mitteln und die Tatsache, dass die Konten miteinander verknüpft sind ? Kunden können ihr Geld auf YuE Bao-Konten für den Onlinekauf von Waren und Dienstleistungen verwenden ? attraktiv.

Letztes Jahr hat der Mitgründer von Alibaba, Jack Ma, eine Art von Prophezeiung gemacht: "Wenn sich die Banken nicht ändern, dann werden wir die Banken ändern." Er hätte jedoch nicht die Zukunftsform verwenden müssen. Es geschieht bereits.





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