Asien Kurier  1/2010 vom 1. Januar 2010
Asien / China

Renminbi Yuan - Auf Gedeih und Verderb

Von Daniel M�ller in Berlin

Kein Zweifel: Die chinesisch-amerikanischen Beziehungen sind von entscheidender Relevanz f�r das Wohlergehen der Weltwirtschaft. Umso misslicher ist daher der Umstand, dass der �konomische Austausch zwischen diesen beiden Giganten von einer eklatanten Schieflage gekennzeichnet ist.

Auf dem Punkt gebracht hat sich in den letzten rund zehn Jahren folgendes Arrangement herausgebildet: Die Chinesen liefern alle erdenklichen Konsumg�ter in die Vereinigten Staaten und stellen zugleich Kredite zum Kauf eben dieser Waren zur Verf�gung. Ein Vorgehen, das in der Praxis gemeinhin als das Gew�hren von Lieferantenkrediten bezeichnet wird. Dieser einseitige "Austausch" ist keineswegs naturw�chsig, sondern wird von der chinesischen F�hrung durch eine Beeinflussung der Wechselkurse gezielt herbeigef�hrt. Denn normalerweise erfolgt bei einem System flexibler Wechselkurse ein Ausgleich der Salden: Durch eine Aufwertung der W�hrung des �berschusslandes werden dessen Waren teurer und entsprechend weniger nachgefragt, wohingegen die Waren des Defizitlandes billiger und damit interessanter werden.

Im Falle von China greift dieser Mechanismus aber nicht, weil die F�hrung sich hartn�ckig gegen eine Aufwertung der Landesw�hrung Yuan str�ubt. Infolgedessen nehmen die chinesischen Devisenreserven, die momentan etwa 2.200 Milliarden US$ betragen, immer weiter zu. Rund zwei Drittel dieser Reserven haben die Chinesen in US-Assets investiert. F�r die Machthaber in Beijing ist diese Arbeitsteilung deshalb attraktiv, weil durch den anhaltenden Exportboom Arbeitspl�tze geschaffen werden, die den Druck auf das Regime zu reduzieren helfen. Hinzu kommt, dass die W�hrungsreserven auch zur Durchsetzung politischer Ziele - etwa zum Erwerb strategisch wichtiger Rohstoffquellen - eingesetzt werden k�nnen. (siehe Asien Kurier, 12/2009)

Allerdings hat der gewaltige chinesische Kapitalexport in die USA sehr unangenehme Nebenwirkungen: Zum einen haben die chinesischen Investitionen - zusammen mit der Niedrigzinspolitik der Fed - einen wesentlichen Beitrag zur Kreditblase und damit zum Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise geleistet. Zum anderen k�nnten sich die US$-Anlagen als �beraus schlechtes Gesch�ft erweisen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass das Land, welches die internationale Leitw�hrung stellt, diese W�hrung im Prinzip unbegrenzt auflegen kann. Die Konsequenz einer signifikanten Erh�hung des "Angebotes", w�re eine massive Abwertung des US-Dollars, wodurch auch alle US$-Anlagen drastisch an Wert verlieren w�rden. Angesichts eines in Agonie liegenden US-Finanzsektors sowie einer beispiellosen Haushaltsverschuldung bef�rchten die Chinesen, dass die US-Amerikaner versucht sein k�nnten, ihre Schulden einfach durch ein Anwerfen der Notenpresse wegzuinflationieren. Vor diesem Hintergrund sind die wiederholten Forderungen von chinesischen Autorit�ten nach einer neuen globalen W�hrungsordnung zu sehen. Besonders brisant ist die chinesische Lage, weil der Abh�ngigkeit vom US$ kaum zu entkommen ist: Denn sto�en die Chinesen ihre US$-Anlagen im gro�en Stil ab, verlieren ihre �brigen Anlagen automatisch weiter an Wert.

Um diesem Dilemma zu entkommen, werden zwei Strategien verfolgt. Zum einen wird die Idee einer neuen Weltreservew�hrung ins Spiel gebracht. Diese Rolle sollen die Sonderziehungsrechte (SZR) des Internationalen W�hrungsfonds (IWF) �bernehmen. Hierbei handelt es sich um eine Kunstw�hrung, die auf einem W�hrungskorb aus Euro, Yen, Pfund und US$ basiert. Da die SZR als Reservew�hrung nie eine gr��ere Rolle gespielt haben, fordert die chinesische Notenbank nun, die Quoten kr�ftig zu erh�hen und den Yuan zu involvieren. Allerdings ist kaum damit zu rechnen, dass diese Idee selbst in mittlerer Frist Realit�t wird. Denn bislang k�nnen die vom IWF ausgegebenen Bonds ausschlie�lich von den Zentralbanken gehandelt werden. Folglich m�sste erst aufwendig ein Geldmarkt geschaffen werden, zu dem auch die Privatwirtschaft Zugang hat. Au�erdem m�ssten die gro�en Quotenhalter zustimmen, was keineswegs vorausgesetzt werden kann.

Wesentlich realistischer ist daher das Ansinnen einzusch�tzen, die Internationalisierung des Yuan weiter voranzutreiben. Dabei wird der chinesische Au�enhandel mit bestimmten Partnern verst�rkt in Yuan abgewickelt. Die Motivation der Partner hierzu besteht sowohl in dem Kalk�l, von den Schwankungen des US$ unabh�ngig zu werden, als auch darin, durch die Abkehr von der traditionellen Reservew�hrung ein politisches Zeichen zu setzen. W�hrend der letztere Aspekt etwa bei Absprachen mit Russland oder Brasilien eine Rolle spielen d�rfte, haben insbesondere die ASEAN-Staaten ein vitales Interesse daran, den Rang des relativ stabilen Renminbi Yuan als regionales Zahlungsmittel zu erh�hen. Nachdem in der Vergangenheit bereits erfolgreich damit experimentiert wurde, den grenz�berschreitenden Warenverkehr zwischen einigen chinesischen Wirtschaftszentren und den ASEAN-Staaten in Renminbi Yuan zu fakturieren, soll dieses Verfahren auch bei der zu Jahresbeginn startenden China-ASEAN-Freihandelszone (CAFTA) praktiziert werden. Da das respektive Handelsvolumen in 2008 satte 231 Milliarden US$ betrug und weiter hohe Steigerungsraten prognostiziert werden, kommt China damit dem Internationalisierungsziel zumindest ein St�ck weit n�her.

Dar�ber hinaus hat die chinesische Zentralbank bilaterale Abkommen mit Staaten wie Argentinien, Wei�russland und S�dkorea geschlossen, bei denen diese Importe aus China im Bedarfsfall in Renminbi Yuan abwickeln k�nnen. Auch diese Projekte werden dazu beitragen, dass die chinesische Landesw�hrung ihren Stellenwert als Deviseneinheit zur Abwicklung des internationalen Handels kontinuierlich wird steigern k�nnen. Allerdings bedeutet dieser Bedeutungszuwachs noch lange nicht, dass der Yuan auch zur internationalen Reservew�hrung avancieren wird und in eine globale Konkurrenz zur US-W�hrung treten kann. Dagegen spricht schon allein die Tatsache, dass der Renminbi Yuan nach wie vor nicht voll konvertierbar ist und vielf�ltige Kapitalverkehrsbeschr�nkungen bestehen. Neben einem Abbau dieser Beschr�nkungen m�ssten auch von staatlichen Interventionen unabh�ngige liquide Bondsm�rkte geschaffen werden - an beidem kann die auf absolute Autonomie im Entwicklungsprozess bedachte Kommunistische Partei kein Interesse haben.

Da also auch die zweite Strategie zur Verringerung der US-Dollar-Abh�ngigkeit rasch an ihre Grenzen kommt, wird man nicht umhinkommen, die chinesischen Postulate nach einer neuen internationalen Reservew�hrung als mehr oder weniger symbolischen Akt zu betrachten, mit dem vor allem der heimischen �ffentlichkeit signalisiert werden soll, dass man versucht, die eigenen Reserven vor einem Wertverlust zu sch�tzen. Als einzig gangbarer Weg zur Reduzierung der Abh�ngigkeit von der US-W�hrung bleibt indessen die Reduktion des chinesischen Leistungsbilanz�berschusses. Da die chinesische F�hrung aus Stabilit�tsgr�nden aber existenziell auf weiteres Wachstum angewiesen ist, m�sste eine grundlegende Abkehr vom bislang verfolgten exportorientierten Entwicklungsmodell vollzogen werden. Selbst wenn die F�hrung hierzu bereit w�re, w�re eine st�rkere Fokussierung auf den Binnenmarkt jedoch nur langfristig zu erreichen. Deshalb d�rfte es trotz zunehmenden politischen Druckes aus den USA und Europa in absehbarer Zeit allenfalls eine moderate Aufwertung des Yuan geben. Insgesamt bleibt den Chinesen nicht viel mehr �brig, als durch Appelle an die USA darauf zu dringen, dass diese ihr W�hrungsprivileg nicht ausnutzen. Wobei diese Mahnungen durchaus auf Resonanz sto�en, denn die US-Amerikaner k�nnen n�chtern betrachtet kein Interesse daran haben, durch ein Abw�lzen ihrer Schulden die Anreize zur Etablierung eines multipolaren Weltw�hrungssystems zu erh�hen. Auf der anderen Seite spricht einiges daf�r, dass der US$ seine Schw�che mittelfristig wird �berwinden k�nnen. Damit d�rften auch die chinesischen Bedenken wieder abnehmen. Allerdings bleibt das Problem der einseitigen chinesisch-US-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen weiter ungel�st, sodass der Rest der Welt nur hoffen kann, dass Washington und Beijing einen Weg finden werden, ihre wechselseitigen Abh�ngigkeiten sukzessive zu vermindern.

IWF - Sonderziehungsrechte

Bereits Anfang der 1960er-Jahre wurden Stimmen laut, die Liquidit�tsengp�sse durch ein ungleiches Wachstum von Handelsstr�men und der Reservew�hrung US-Dollar bef�rchteten. Mit der Einf�hrung der SZR wurde zus�tzliche Liquidit�t f�r das internationale Finanzsystem geschaffen. Der Gouverneursrat des IWF beschloss das neue Reservemedium am 3. Oktober 1969.

Der Wechselkurs eines Sonderziehungsrechts ist durch einen W�hrungskorb wichtiger Weltw�hrungen definiert. Als Ma�stab f�r die H�he des Betrages und damit des Gewichts der einzelnen W�hrung dienen der Anteil des betreffenden Staates bzw. W�hrungsraumes am Weltexport und die in dieser W�hrung gehaltenen Reserven der IWF-Mitglieder. Alle f�nf Jahre werden die relevanten W�hrungen und ihre Gewichtung vom IWF-Vorstand neu festgelegt und daraus am Stichtag die neue Zusammensetzung des Korbes bei gleichem Wert errechnet. Der Wert eines SZR wird t�glich vom IWF festgelegt, basierend auf den Umtauschraten der W�hrungen, aus denen sich das SZR bildet. Es gilt die Kursnotierung der Londoner B�rse um 12 Uhr. Falls die B�rse in London geschlossen ist, gilt die Notierung in New York und sollte diese ebenfalls geschlossen sein, gilt der Referenzkurs der Europ�ischen Zentralbank.

Wenn der Gouverneursrat des IWF feststellt, dass ein weltweiter Bedarf an zus�tzlicher Liquidit�t besteht, werden SZR an die Mitgliedsl�nder zugeteilt. Jedes Land hat mit seinen zugeteilten SZR ein Guthaben gegen�ber dem IWF, mit dem es seine Schulden gegen�ber Gl�ubigerl�ndern tilgen kann, da die Mitgliedsl�nder verpflichtet sind, Zahlungen durch SZR zu akzeptieren.

SZR sind ein Teil der W�hrungsreserven eines Landes. So hat jedes Land das Recht f�r SZR innerhalb bestimmter Grenzen andere W�hrungen zu kaufen. Die SZR dienen damit als Devisenhilfe f�r einzelne in Schwierigkeiten geratene L�nder.

21.12.2009: 1 Euro = 0,9158 SZR