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Asien Kurier  7/2010 vom 1. Juli 2010
Asien

Aktienmärkte im Fokus

Die Asiatische Entwicklungsbank beobachtet die lokalen Kapitalmärkte und berät Börsengesellschaften bei der Umwandlung zu Privatunternehmen.

Von Arnold Schreiber in Deutschland

Für Kapitalanleger mit Interesse an einem Einstieg in das Geschäft mit asiatischen Aktien stellt sich zu Beginn häufig ein Informationsproblem. Mehr oder weniger wertvolle Auskünfte und Prognosen zu den Kursbewegungen an den regionalen Börsen stehen in großer Anzahl, in sehr unterschiedlichen Formen der Präsentation und vor allem in sehr verschiedenen Graden der Qualität und der Zuverlässigkeit zur Verfügung.

Sie reichen von den nüchternen täglichen Kursnotierungen in Tageszeitungen und elektronischen Publikationen bis zu eher wirtschaftsgeographischen oder gar zeithistorischen und philosophischen Betrachtungen in Magazinen, Wochenblättern und sonstigen Periodika. Das Informationsproblem stellt sich somit in erster Linie als ein Problem der Auswahl dar. Zur grundsätzlichen Orientierung können hier die Veröffentlichungen der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB, Asian Development Bank, in Englisch: www.adb.org) von Nutzen sein, weil deren Experten in allen Ländern der Region vertreten sind.

Allgemeine Fragen der Finanzierung von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung stehen im Zentrum der ADB-Arbeit und sind daher der Grund dafür, dass die lokalen Kapitalmärkte im Allgemeinen sowie der Aktienhandel im Besonderen von ihren Fachleuten intensiv beobachtet werden. Diese ADB-Vertreter haben sich sehr gute Kenntnisse der asiatischen Börsenszene angeeignet, da sie seit mehr als einem Jahrzehnt die Umwandlung der Börsengesellschaften von genossenschaftsähnlichen Organisationsformen zu Privatunternehmen beratend begleiten (�demutualization�). Unter den wenigen verbliebenen nicht privatwirtschaftlich organisierten Börsenunternehmen sind als prominenteste Beispiele erwartungsgemäß die beiden staatlich geführten chinesischen Plätze Shenzhen Stock Exchange (SZSE) und Shanghai Stock Exchange (SHSE) zu nennen.

Tokio fällt nicht in den Kompetenzbereich der ADB, weil Japan als Industrieland eher als Geber denn als Empfänger von Kapital- und Beratungsleistungen eine Rolle spielt. Alle anderen Staaten der Region sind entweder als Schwellenländer (emerging countries) oder Entwicklungsländer (developing countries) eingestuft. Im Hinblick auf die Funktion und Bedeutung der Börse bzw. des Kapitalmarkts sind in der reifen, fast überreifen japanischen Volkswirtschaft ebenfalls völlig andere Bedingungen gegeben als bei den Nachbarn. Allein ein flüchtiger Blick auf die Wachstumsraten der vergangenen Jahre verdeutlicht diese Unvergleichbarkeit.

Nicht zu unterschätzen für mittel- und langfristige Anlageentscheidungen sind die Lehren, die die ADB aus den großen Finanzkrisen der letzten beiden Jahrzehnte zieht und die Empfehlungen, die sie daraus ableitet. Die wichtigsten dieser Überlegungen können hier nur verkürzt und selektiv, sozusagen als Anreiz zur Vertiefung, wiedergegeben werden. Zum Glück stellt die Webseite der Bank eine riesige, gut aufgeräumte Fundgrube mit wirksamer Suchfunktion für alle ADB-Publikationen dar.

Ausgehend von der allgemeinen Wirtschaftslage im ersten Halbjahr 2010 konstatiert die ADB eine zügige Rückkehr der asiatischen Länder in Richtung auf die früheren Wachstumsraten. Ihre Kapitalmärkte erzielten noch schnellere Zuwächse, weil Anleger in den westlichen Industriestaaten angesichts niedriger Renditen daheim und mit erneuerter Investitionsbereitschaft sich einen Anteil an der asiatischen Expansion sichern wollen. Diese Tendenz wurde auch durch den Konkurs der Dubai World im November 2009 und die griechische Schuldenkrise vom Januar/Februar diesen Jahres nur kurzzeitig und in geringem Maße abgeschwächt.

Die ADB sieht den lebhaften Zustrom von Kapital aus anderen Regionen einerseits als faktische Bestätigung der soliden asiatischen Dynamik, aber andererseits auch bereits als Aufforderung an die zuständigen Staatsorgane, ihre Kapitalmärkte gegen plötzliche Gegenreaktionen abzusichern. Insbesondere bedürften die Zuflüsse von kurzfristigem Kapital der Überwachung, da von seinen Bewegungen Bedrohungen für die gesamten Geldmärkte und die Währungen ausgehen könnten.

Die Erholung der Aktienkurse nach dem globalen Börsencrash infolge des Konkurses der Lehman Brothers� in den eineinhalb Jahren bis zum Frühjahr 2010 ist in der Tat beeindruckend. An erster Stelle steht der � allerdings weniger bedeutende � Börsenindex von Indonesien mit einem Anstieg von 72,8 Prozent, darauf folgt der Index der VR China mit 41,0 Prozent. Der Börsenwert aller gelisteten Unternehmen in den untersuchten Ländern erhöhte sich im Kalenderjahr 2009 um 83 Prozent auf 9.746 Milliarden US$, erreichte damit aber noch nicht wieder den Höchstwert aus dem Jahr 1997 von 12.197 Milliarden US$. Etwa 20 Prozent des regionalen Börsenwerts befinden sich in ausländischen Portfolios.

Mit dem Schwerpunkt in der zweiten Jahreshälfte, erlebten die asiatischen Aktienmärkte eine Reihe von Kapitalerhöhungen und vor allem von Börsengängen (initial public offerings/IPOs) im Gesamtumfang von 150 Milliarden US$. Von den IPOs entfielen allein mehr als drei Viertel auf die VR China einschließlich der Sonderwirtschaftszone Hongkong und ein substantieller Anteil auf Indien. In China spiegelten sich die lebhafte Konsumnachfrage und der expandierende Immobilienmarkt in entsprechenden Börsengängen wider. Ohne sich allzu sehr auf das Feld der professionellen Börsenberichterstattung zu begeben, analysiert die ADB über diese beiden �Schwergewichte� hinaus vor allem die jüngere Entwicklung auf den Aktienmärkten in Indonesien, Südkorea, Malaysia, den Philippinen, Singapur, Taiwan, Thailand und Vietnam.

Nicht zu übersehen bei allen Publikationen und Veranstaltungen der letzten Zeit zum Thema Kapitalmärkte ist das Bestreben der ADB, die Politik von ihrer Verantwortung für ein sachgerechtes Management der reichlich fließenden Kapitalströme zu überzeugen. In vielen Fällen - so die Bankexperten lobend - sei bereits angemessen auf neue Entwicklungen reagiert worden, und die Erfolge der gesamten Region seien der beste Beweis für die Notwendigkeit einer aktiven Gestaltung der geld- und währungspolitischen Rahmenbedingungen. Die entsprechenden Instrumente seien vorhanden und die Bank bereit, bei ihrem Einsatz zu assistieren.

Die "Asian Development Bank" (ADB) wurde am 22. August 1966 gegründet. Zu den Anteilseignern gehören 67 Staaten, davon 48 aus Asien und Pazifik, sowie 19 europäische Länder (u.a. Deutschland, Schweiz und Österreich) plus die USA. Mit je 12,8 Prozent sind Japan und die USA die größten Geldgeber.

Die Entwicklungsbank mit Sitz in Manila, Philippinen, vergab 2009 Kredite im Volumen von 13,2 Milliarden US$ sowie nicht-rückzahlbare Zuwendungen von 1,1 Milliarden US$. Präsident ist der Japaner Haruhiko Kuroda.

In ihrem strategischen Rahmenplan (2001 bis 2015) legt die Bank den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Armutsbekämpfung in Asien und der Pazifikregion durch wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit.