Asien Kurier  11/2009 vom 1. November 2009
China

Unternehmen klagen �ber Arbeitskr�ftemangel

L�hne f�r Fabrikarbeiter bleiben 2009 stabil / Geh�lter f�r Angestellte br�ckeln

Von Dr. Roland Rohde, Germany Trade & Invest in Hongkong

Die rasante Lohnentwicklung der vergangenen Jahre ist in der VR China durch die weltweite Wirtschaftskrise zum Stillstand gekommen. Noch 2003 bekam ein Fabrikarbeiter im s�dchinesischen Perlflussdelta gut 50 US$ im Monat. Doch bereits 2008 wurde in zahlreichen St�dten und Kreisen die 200-US-Dollar-Marke �berschritten. Millionen von Wanderarbeitern kehrten nach ihrer Entlassung in ihre Heimatprovinzen zur�ck. Unternehmen, die im Zuge des Weihnachtsgesch�fts ihre Produktion hochfuhren, mussten sich anstrengen, gen�gend Personal zu finden.

Innerhalb Chinas sind die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise besonders im s�dchinesischen Perlflussdelta sp�rbar. Die Exportfabrik der Volksrepublik leidet unter den kr�ftigen Auftragsr�ckg�ngen aus den Hauptabnehmerm�rkten in Europa und Nordamerika. Zwar zeichnete sich im Sp�tsommer 2009 noch keine durchgreifende Wende ab, doch die ersten Unternehmen mussten angesichts des bevorstehenden Weihnachtsgesch�fts ihre Produktion hochfahren und wieder Personal einstellen.

Beim Rekrutieren stellten viele Firmen erstaunt fest, dass es mitten in der Krise einen - wenn auch nicht dramatischen - Arbeitskr�ftemangel gibt. Millionen von Wanderarbeiter hatten im Zuge der Krise Ende 2008/Anfang 2009 ihren Job verloren und waren, nachdem sie einige Monate auf der Suche nach Besch�ftigung durch die Stra�en S�dchinas gezogen sind, in ihre Heimatprovinzen zur�ckgekehrt.

Im Landesinneren, wo die Wirtschaftskrise aufgrund der geringen Exportabh�ngigkeit nur bedingt sp�rbar ist, konnten sie teilweise eine neue Anstellung finden. Die ist zwar meist deutlich schlechter bezahlt, doch kommt man aufgrund der h�heren Kaufkraft �ber die Runden. Wer keine neue Arbeit findet, kann derweil von seinen Ersparnissen, die auf dem Land nur langsam dahin schmelzen, leben und auf ein endg�ltiges Ende der Krise warten. Auch stehen Netzwerke von Familie und Freunden bereit, die sowohl bei der Jobsuche als auch f�r die Notfallunterst�tzung behilflich sind.

Die Unternehmen in S�dchina m�ssen sich daher einiges Einfallen lassen, um neue Arbeiter zu finden. An den Fabriken k�nden Plakatw�nde davon, dass wieder eingestellt wird und die Jobvermittler berichten von einer kr�ftigen Anfrageflut von Seiten der Arbeitgeber.

Doch die L�hne d�rften trotzdem nicht steigen. Die meisten Unternehmen im Perlflussdelta schreiben Verluste beziehungsweise fahren nur geringe Gewinne ein. Spielraum f�r Lohnerh�hungen gibt es daher nicht.

Zwischen 2003 und Mitte 2008 hatten sich die L�hne ungef�hr verdreifacht. Im Durchschnitt zahlte ein Hongkonger Investor in Shenzhen oder Guangzhou seinen ungelernten Arbeitskr�ften einschlie�lich �berstundenzuschl�gen etwa 1.800 Renminbi Yuan. In den anderen St�dten des Perlflussdeltas wurden 1.500 bis 1.800, im Hinterland der Provinz mindestens 1.200 Renminbi gezahlt. Davon sind jedoch jeweils die Ausgaben f�r Kost und Logis - der Arbeitgeber baut in der Regel ein Wohnheim neben der Fabrik - abzuziehen.

Die weiteren Lohnnebenkosten f�r die Unternehmen sind vergleichsweise gering. Das neue Arbeitsvertragsgesetz hat jedoch f�r eine merkliche, wenn auch absolut gesehen geringe Erh�hung der Kosten gef�hrt. Zumeist �bertreiben nach Angaben von ausl�ndischen Eink�ufern die chinesischen Lieferanten die Auswirkungen der neuen Regelungen, um in Verhandlungen einen h�heren Abnehmerpreis durchzusetzen.

Nicht wenige Unternehmer haben in S�dchina die gesetzlichen Bestimmungen nicht vollst�ndig eingehalten. Insbesondere hinsichtlich des K�ndigungsschutzes entziehen sich viele ihren Verpflichtungen. Vor allem Investoren aus Taiwan sollen in der Krise fluchtartig das Land verlassen haben, wobei sie ihren ehemaligen Angestellten mehrere Monatsl�hne schuldig blieben.

Die ersten Arbeiter haben daher das Gesetz in die eigene Hand genommen und ihre Bosse rechtzeitig zu Hause oder im Hotel festgesetzt. Diese d�rfen das Land erst dann verlassen, wenn beide Seiten zu einer "g�tlichen" Einigung gekommen sind. Die Polizei unternimmt in der Regel nichts, wovon zahlreiche ausl�ndische Generalkonsulate ein Lied singen k�nnen. Die Sitten in Guangdong sind eindeutig "rauer" geworden.

Seit dem Sommer 2008 sind die L�hne f�r Arbeiter in Guangdong im Prinzip nicht mehr gestiegen. Es war aber auch kein nennenswerter R�ckgang zu verzeichnen, vor allem weil es zu einer kr�ftigen Verknappung des Arbeitsangebots kam. Kein Chinese stellt sich noch f�r weniger als 1.200 Renminbi ans Band.

Anders sieht es bei Angestellten aus. W�hrend Wanderarbeiter vor allem in den Fabriken Guangdongs unterkamen, fand die kantonesisch sprechende einheimische Bev�lkerung Anstellung in den besser bezahlten Dienstleistungssektoren. In der Hauptstadt Guangzhou, wo die meisten B�rojobs zu finden sind, bekamen "white collar worker" in Vorkrisenzeiten im Durchschnitt rund 3.500 Renminbi im Monat, wobei es in Abh�ngigkeit von der Berufserfahrung, der Qualifizierung und der ausge�bten T�tigkeit eine gro�e Streuung gibt.

Da sich das Arbeitsangebot in diesem Bereiche nicht wesentlich verringert hat - die einheimische Bev�lkerung bleibt vor Ort - dr�ckt das schlechte Gesch�ft, unter dem die Handelsgesellschaften, Logistiker oder Immobilienfirmen leiden, auf die Geh�lter. Gl�cklich darf sich sch�tzen, wessen Einkommen stabil bleibt, was vor allem f�r langj�hrige Angestellte gelten d�rfte. Neueinsteiger m�ssen derweil, wenn sie �berhaupt einen Job finden, mit einem Anfangsgehalt rechnen, das 5 bis 10 Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegt. Die Bonuszahlungen zum chinesischen Neujahr, die im Februar 2010 anstehen, d�rften f�r beide Gruppen auf jeden Fall mager ausfallen.