Asien Kurier  1/2010 vom 1. Januar 2010
Asien

Droht der Weltwirtschaft eine zweite Liquidationswelle?

F�r Nordamerika und Europa Ausfallrisiko von Forderungen zuletzt deutlich gesunken. Immer h�ufiger Zahlungsverz�gerungen in China

Von Christian Overhoff, Germany Trade & Invest in K�ln

Wieder bessere Konjunkturaussichten haben sowohl in Nordamerika als auch in Europa die erwartete Ausfallh�ufigkeit von Forderungen erheblich sinken lassen. Dennoch bef�rchten Experten eine zweite Welle von Insolvenzen. Insbesondere L�nder wie Italien, Griechenland oder Polen d�rften noch vor einem anhaltenden Anstieg der Firmenpleiten stehen.

Im Jahr 2009 wird die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Europa (ohne Russland) nach einer Prognose des Kreditversicherers Euler Hermes (www.eulerhermes.de) vom November diesen Jahres um 27,2 Prozent auf rund 240.000 steigen; davon allein 28 Prozent der F�lle in Frankreich, 16 Prozent im Vereinigten K�nigreich sowie 14 Prozent in Deutschland, gefolgt von Ungarn mit 7 Prozent sowie Italien mit 4 Prozent.

In den USA d�rften 2009 rund 45 Prozent mehr Unternehmen zahlungsunf�hig werden und f�r die VR China wird ein Anstieg um 4,9 Prozent prognostiziert. Insgesamt rechnet Euler Hermes f�r 2009 weltweit mit einem Anstieg der Insolvenzen um 33 Prozent.

F�r 2010 erwarten die Forderungsspezialisten von Euler Hermes trotz dann wieder weltweit besseren Konjunkturaussichten global einen weiteren Anstieg der Fallzahlen; allein in Europa um 2,3 Prozent. Eine besonders starke Zunahme der Insolvenzen wird f�r Italien und Griechenland mit rund plus 15 Prozent sowie f�r Polen mit +10 Prozent prognostiziert. In Spanien d�rfte die Liquidationswelle nur noch leicht um 2,8 Prozent anschwellen, nachdem 2008 und 2009 enorme Sch�be von 187 und 111 Prozent erfolgten. Auch in der VR China d�rfte die Zahl der Pleiten 2010 noch mal um 5 Prozent zulegen. Dagegen scheint 2010 in den USA der Sturm mit einem leichten R�ckgang der Fallzahlen um 3,8 Prozent abzuflauen.

Der Vorstandschef von Euler Hermes, Wilfried Verstraete kommentierte diese Prognosen gegen�ber der "Wirtschaftswoche": "Es werde "Bereinigungen geben, wobei die Gefahr besteht, dass es zu Dominoeffekten kommt". F�r sehr dramatisch halte er die Lage im Hoch- und Tiefbau sowie bei Autoherstellern und deren Zulieferern, weil es dort gro�e strukturelle �berkapazit�ten gebe.

Besonders besorgniserregend sei die Entwicklung in Osteuropa. "Wir haben unser Engagement vor allem in Ungarn, Rum�nien, Russland, in der Ukraine und in den baltischen Staaten deutlich reduziert. Auch in der T�rkei und in Argentinien sieht es schlecht aus." Die verschlechterte Kreditw�rdigkeit russischer Unternehmen etwa spiegelt sich auch im Institutional Investor-Ranking vom September 2009 wieder. Darin erreichte Russland einen Bonit�tsindex von 63,2 und lag damit auf Rang 50. Zum Vergleich: Im M�rz 2009 kam die Russische F�deration noch auf den 47. Platz (September 2008: 41. Platz). Die 6-Monatsver�nderung betr�gt -1,4 und im Jahresvergleich -9,3 Z�hlerpunkte.

Dabei sah es weltweit im Sommer und Fr�hherbst 2009 nach einer Trendwende in der Insolvenzentwicklung zumindest bei den b�rsennotierten Unternehmen aus. Die Erholung der Aktienkurse und erheblich geringere Kursschwankungen an den B�rsen hatten dazu gef�hrt, dass die Erwartete Ausfallh�ufigkeit (EDF) von M�rz bis September 2009 sowohl in Nordamerika als auch in Europa erheblich gesunken war, wie der Kreditversicherer Atradius in einer aktuellen Studie (Marktmonitor Dezember) belegt.

Im Oktober ist jedoch der Median-EDF in den von Atradius beobachteten L�ndern mit Ausnahme Belgiens zum ersten Mal seit einigen Monaten wieder fl�chendeckend angestiegen. Allerdings verzeichneten die meisten M�rkte lediglich einen Anstieg von ein bis zwei Basispunkten, abgesehen von Deutschland und den USA, deren Median-EDF um sieben beziehungsweise 23 Basispunkte kletterte.

Die Wahrscheinlichkeit der Zahlungsunf�higkeit eines b�rsennotierten Unternehmens leitet Atradius von drei Faktoren her: Marktwert des Firmenverm�gens, dessen Volatilit�t und die aktuelle Kapitalstruktur. Der EDF-Wert ist folgenderma�en zu interpretieren: Bei einem EDF-Wert von 1 Prozent eines Landes ist davon auszugehen, dass im Durchschnitt eine von hundert Firmen innerhalb eines Jahres zahlungsunf�hig wird.

Trotz dieser allgemein r�ckl�ufigen Tendenz liegt das aktuelle Ausfallrisiko b�rsennotierter Unternehmen in den einzelnen M�rkten noch zwei bis drei Mal h�her als im Sommer 2008. Die n�chsten Monate m�ssen zeigen, ob die im Oktober in Europa und den USA wieder leicht gestiegene Insolvenz-Wahrscheinlichkeit von Firmen nur eine Abweichung vom Trend einer Erholung ist, oder eine Trendwende zu einer neuen Liquidationswelle einleitet.

Das Jahresende bringt jedenfalls besondere Herausforderungen (etwa Lagerbildung im Einzelhandel, R�ckgang im Baugewerbe) mit sich, wie das britische Beispiel zeigt. Die Finanzbeh�rde der Insel gew�hrt Firmen einen Aufschub der Steuerzahlung, was sich wahrscheinlich positiv auf die Insolvenzzahlen der vergangenen Monate ausgewirkt hat. Da jedoch in den kommenden Monaten die Steuerzahlungen zu leisten sind, werden sich die Liquidit�tsprobleme britischer Firmen weiter verst�rken, sch�tzte Atradius im Oktober und geht daher "von einem anhaltenden Anstieg der Unternehmensinsolvenzen in den n�chsten sechs Monaten aus".

Einen Sonderfall bildet Griechenland. Nachdem zuletzt die Bonit�tsnote des Landes wegen der hohen Staatsverschuldung von den Ratingagenturen Fitch und S&P; von "A-" auf "BBB+" gesenkt wurde, geraten auch die Au�enst�nde staatlicher Unternehmen in die Diskussion. So ist der Europ�ische Pharmazeutische Verband Efpia wegen s�umiger Zahlungen griechischer Krankenh�user mit der Europ�ischen Kommission laut Medienberichten ins Gespr�ch getreten. Die unbezahlten Rechnungen der staatlichen Kliniken betr�gen 6,5 Milliarden Euro.

Auch der Kreditversicherer Coface beobachtet die Situation in vielen L�ndern weiter skeptisch. Nachdem der internationale Forderungsspezialist zu Jahresbeginn 22 L�nder und im April 47 L�nder herabgestuft oder auf die negative Beobachtungsliste gesetzt hatte, waren im Sommer 13 weitere L�nder betroffen (siehe dazu auch: Zahlungsmoral in Europa leidet in Folge der Finanzkrise).

So stufte Coface im Juli 2009 Finnland, die Niederlande und �sterreich auf A2 runter. In Afrika wurde das unter der Nachfrageschw�che f�r Diamanten leidende Botswana direkt von A3 auf A4 abgestuft. Portugals Rating A3 steht nun unter Beobachtung f�r eine m�gliche Abwertung. Weitere L�nder in Mittel- und Osteuropa sowie in Mittel- und S�damerika wurden von Coface Mitte 2009 mit einem negativen Ausblick versehen. Zum einen sind dies die baltischen Staaten und die Slowakei, deren Situation sich zuletzt weiter verschlechtert hatte.

Speziell in �sterreich h�tten die Zahlungsausf�lle enorm zugelegt, zumal in der Alpenrepublik dieses Jahr mit einer Rezession von 3 Prozent zu rechnen sei. Betroffen seien besonders der Automobilbereich und die Banken. Das starke Engagement der �sterreichischen Banken in Mittel- und Osteuropa mache bis zu 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes aus.

Auch Ungarn steht weiter unter Druck. Die Anzahl der Liquidationsverfahren in dem Land ist in den ersten drei Quartalen 2009 gegen�ber gleichem Vorjahreszeitraum um 35 Prozent gestiegen. Die Verfahren konzentrierten sich dabei auf den Bausektor sowie den Handel (vor allem Kfz-Handel). Ihren H�hepunkt d�rfte die Liquidationswelle bis Anfang 2010 �berschreiten, wie die Experten von Coface annehmen. In Deutschland und Frankreich hingegen wird der Scheitelpunkt der Liquidationswelle voraussichtlich bereits 2009 �berschritten werden. "In diesen L�ndern scheint die Talsohle erreicht zu sein", sagt der Vorstandsvorsitzende von Coface Deutschland, Beno�t Claire.

Au�erhalb Europas f�llt vor allem die VR China auf. Zahlungsverz�gerungen treten in der Volksrepublik immer h�ufiger auf. In 75 Prozent der F�lle wird das F�lligkeitsdatum um mehr als 30 Tage �berschritten - ein Anstieg um acht Prozentpunkte gegen�ber dem Vorjahr, wie Coface (www.coface.de) in einer Studie vom September 2009 konstatierte. In Indien stellt sich die Lage nicht ganz so dramatisch dar. Doch auch hier warten Lieferanten h�ufig bis zu 30 Tage nach F�lligkeit auf ihr Geld.

Heute sind Lieferantenkredite in diesen beiden L�ndern g�ngige Praxis: Von 65 Prozent der chinesischen und 72 Prozent der indischen Unternehmen werden laut Coface Lieferantenkredite gew�hrt. In Indien r�umen �ber 70 Prozent der Unternehmen ihren Abnehmern ein Zahlungsziel von 30 Tagen ein, in China 45 Prozent sogar ein Ziel von 60 Tagen und fast 20 Prozent bis zu 90 Tagen und mehr.

W�hrend die Lieferung auf offene Rechnung in Indien vor allem der starken Konkurrenz zwischen den Anbietern geschuldet ist, wird in China damit der schwierigen Finanzlage der Unternehmen Rechnung getragen. �berkapazit�ten und geringe Wertsch�pfung verl�ngern dort die Zahlungsfristen. "Doch die teilweise sehr gro�z�gig bemessenen Lieferantenkredite werfen die Frage auf, inwieweit die Unternehmen in den beiden L�ndern ihre Forderungen �berhaupt noch im Griff behalten k�nnen", hebt Claire hervor. Im L�nderrating von Coface wird Indien mit A3 bewertet. Die A3-Bewertung Chinas steht allerdings unter Beobachtung f�r eine Abwertung.

Vor dem Hintergrund der relativ krisenresistenten Wirtschaftsentwicklung bewegt sich der Index f�r Zahlungsausf�lle indonesischer Unternehmen auf einem stabilen Pfad. Doch die fehlende Transparenz f�r die Beurteilung von Unternehmen sowie die verbreitete Korruption und ein schwerf�lliges Rechtssystem begr�nden f�r Coface ein relativ hohes Zahlungsrisiko und das Rating B.

In Brasilien wirken sich Rezession und Finanzierungsengp�sse negativ auf das Zahlungsverhalten der Unternehmen aus. Neben den strukturell schwachen Sektoren wie Textil und Schuhe sind auch andere Branchen wie Agrobusiness, Stahl, Bau, Automobil sowie dauerhafte Konsumg�ter betroffen. Die Zahlungsausf�lle bewegen sich jedoch insgesamt "auf akzeptablen Niveau", wie Coface mit einem Rating von A4 bescheinigt. Euler Hermes erwartet f�r Brasilien nach einem Anstieg der Insolvenzen 2009 um 11 Prozent wieder einen R�ckgang 2010 um 12 Prozent.