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Asien Kurier  10/2010 vom 1. Oktober 2010
China

Neue Möglichkeiten im Verlagswesen

Ausländischen Investoren stehen neue Kooperationsmöglichkeiten offen.

Von Corinne Abele, Germany Trade & Invest in Beijing

Die volkschinesische Regierung lockert den Griff auf das Verlagswesen. Zwar werden auf absehbare Zeit nach wie vor staatliche Verlage dominieren. Doch die Regierung scheint entschlossen, aus den meist maroden Verlagen moderne, wettbewerbsfähige Medienunternehmen zu machen. Erstmals fördert sie explizit branchenübergreifende Unternehmenszusammenschlüsse zwischen staatlichen und privaten Verlagen, Kultur- oder Internetunternehmen. Auch ausländischen Investoren stehen neue Kooperationsmöglichkeiten offen.

Das vor ausländischen Investitionen bislang weitgehend abgeschottete Verlagswesen der VR China befindet sich seit einigen Jahren im Umbau. Es soll fit gemacht werden für die Herausforderungen des elektronischen Zeitalters. Nach Angaben der Book Industry Chamber of Commerce hat landesweit zwischen 2000 und 2010 nahezu die Hälfte aller Buchhändler Konkurs angemeldet. Bis 2020 soll etwa die Hälfte des Umsatzes im Verlagswesen auf elektronische Publikationen entfallen; 2030 könnten bereits 90 Prozent aller Bücher online verlegt werden, so Experteneinschätzungen auf dem Forum "Mobiles Lesen" im Januar 2010 in Beijing.

Erste Umstrukturierungsmaßnahmen der Regierung konzentrierten sich im Wesentlichen auf die Zusammenlegung kleinerer Verlagshäuser zu großen Gruppen, die Umstrukturierung von eher behördlich organisierten Verlagshäusern in gewinnorientierte Unternehmen sowie deren inländische Börsengänge zur Beschaffung notwendiger Finanzmittel. Seit letztem Jahr ist eine neue Dynamik zu beobachten. Bis Ende 2009 sind laut dem "Blue Book of Chinas Culture 2009" der China Academy of Social Sciences (CASS) die Veränderungsprozesse in 268 lokalen Verlagen, in über 100 Hochschul-Verlagen und in 101 behördennahen Verlagen der Zentralregierung abgeschlossen worden. Im August 2010 waren bereits 41 Medien- und Verlagshäuser an den inländischen Börsen notiert, so die General Administration of Press and Publication (GAPP). Landesweit sind im Bereich allgemeines Verlagswesen 29 Gruppen, im Zeitungssegment 49, im Bereich Zeitschriften vier Verlagsgruppen und im Buchhandel 29 staatliche Gruppen entstanden.

Seit 2009 hat die GAPP zahlreiche neue Regelungen erlassen, um den Umstrukturierungsprozess voranzutreiben. So umfasst der am 1.1.2023 erlassene neue Leitfaden für die weitere Förderung der Verlagsindustrie ambitionierte Ziele und umfassende Fördermöglichkeiten. Die Branche soll sich für die künftigen Herausforderungen durch das elektronische Verlagswesen neu positionieren. Deutlich befürwortet die GAPP darin nicht nur Medien, Branchen und Regionen übergreifende Zusammenschlüsse, sondern auch von ehemals rein staatlichen Verlagshäusern und privatwirtschaftlichen Medienhäusern. Damit soll das früher komplett staatliche Verlagswesen auf Gewinnorientierung und Wettbewerb ausgerichtet werden.

Auch Joint Venture mit ausländischen Medienunternehmen scheinen nun offiziell möglich. Allerdings darf der ausländische Unternehmensanteil 49 Prozent nicht überschreiten. Die Mitwirkungs- und Kooperationsmöglichkeiten ausländischer Verlage bleiben damit zwar beschränkt, sie erhalten aber mehr Freiräume. So arbeitet Hachette Livre seit Herbst 2009 an der Umsetzung seines Joint Ventures mit Phoenix Publishing & Media Group (PPMG), einem der größten staatlichen Verlage. Hachette Livre hält 49 Prozent am Unternehmen, PPMG 50 Prozent und dessen Tochter Yilin ein Prozent. Das neue Joint Venture, Hachette-Phoenix Cultural Development (Beijing) Company wurde Ende August 2010 auf der internationalen Buchmesse in Beijing vorgestellt.

Die jüngsten Trends stimmen ausländische Branchenkenner für die mittelfristige Zukunft vorsichtig optimistisch. Die Regierung scheint Entwicklungen im "grauen Verlagsbereich" der letzten Jahre einen rechtlichen Rahmen zu geben. Dort dürften Kennern zufolge rund 10.000 private "Verlage" und Kulturagenturen entstanden sein, an die im Gegensatz zu den staatlich kontrollierten Verlagen keine ISBN- und ISSN-Nummern vergeben wurden und bis dato werden. Diese privaten Akteure wirken in verschiedensten Formen an Buch- und Publikationsprojekten mit. Zunehmend werden sie inzwischen von staatlichen Verlagen aufgekauft und als selbstständige Einheiten weiter geführt. Private Verlage haben damit an Möglichkeiten und Einfluss gewonnen. Interessant bleibt dabei die Verbindung neuer und alter Medien. So hat das private Verlagshaus Shanda Literature den kleinen, ebenfalls privaten Verlag Huawen Tianxia gekauft, der durch die Herausgabe von Internetbestsellern bekannt wurde.

Gemäß GAPP-Planung sollen innerhalb von drei bis fünf Jahren sechs bis sieben national sowie international wettbewerbsfähige Verlagsunternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 10 Milliarden Renminbi Yuan (1,15 Mrd. Euro, 1 Euro = 8,69 Renminbi, 3-Monatsmittel) entstehen. Um dies zu erreichen, muss das Verlagswesen komplett modernisiert werden. Geplant ist die Errichtung von speziellen Entwicklungszonen und -clustern für die Medien- und Verlagsindustrie. Für die Finanzierung des Umstrukturierungsprozesses sollen ausländische Investitionen, Börsengänge sowie die Ausgabe von Unternehmensschuldscheinen möglich sein. Ebenfalls ist an die Möglichkeit gedacht, Urheberrechte als Unternehmenskapital einbringen zu können.

Nicht-staatliche Medien- und Kulturunternehmen können bei der Erschließung von Exportmärkten und bei der Zusammenarbeit mit beziehungsweise beim Kauf von ausländischen Medien- und Kulturunternehmen mit staatlicher Unterstützung rechnen. So verkündeten ebenfalls auf der internationalen Buchmesse in Beijing am 31.8.2023 die China Publishing Group, die China National Publication Import and Export (Group) Corporation, Japan Tohan Corporation und ein Tochterunternehmen von letzterer die Gründung eines Joint Ventures in Tokyo zur Herausgabe von Büchern, Magazinen, Comics, DVDs und CDs über China. Erstmals wird ausdrücklich die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Verlagshäusern und privaten Kulturagenturen und -unternehmen sowohl inhaltlich als auch finanziell befürwortet - allerdings unter Beachtung der geltenden Regelungen sowie der Führerschaft des jeweiligen staatlichen Verlagshauses.

Vor allem die in der Liste der Schwerpunktunternehmen und -projekte im Kulturexportbereich aufgeführten 211 Unternehmen (2009-2010 Niandu Guojia Wenhua Chukou Zhongdian Qiye Mulu, vom 18.11.2022) und 225 Projekte (2009-2010 Niandu Guojia Wenhua Chukou Zhongdian Xiangmu Mulu) können mit besonderer Förderung rechnen. So wird unter anderem Unterstützung in Aussicht gestellt für die Erstellung von Marktstudien, die rechtliche Beratung über den Schutz von Urheberrechten, die Zusammenarbeit mit oder Kauf von ausländischen Medien- und Kulturunternehmen, die Zusammenarbeit mit ausländischen Verlagen und Agenturen. Weiter wird zur Gründung nationaler Exportallianzen für Kulturprodukte und -dienstleistungen ermuntert. Ebenfalls kann die importzollbefreite Einfuhr von Produktionsanlagen und Teilen, die nicht in China produziert werden können, beantragt werden. Der entsprechende Leitfaden (Guanyu Jinyibu Tuijin Guojia Wenhua Chukou Zhongdian Qiye he Xiangmu Mulu Xiangguan Gongzuo de Zhidao Yijian) wurde am 1.2.2023 veröffentlicht.

Ausländische Branchenkenner begrüßen die Dynamik der Umstrukturierungs- und Modernisierungsprozesse. Sie hoffen, sich künftig stärker als bislang in die Entwicklung des chinesischen Verlagswesens einbringen zu können. Die jüngsten Regelungen eröffnen neue Möglichkeiten. Inwieweit sie realisiert werden können, bleibt abzuwarten.