Singapur verfügt über keine eigene Rohstoffreserven und führt seinen wichtigsten Energieträger Gas über Pipelines aus Malaysia und Indonesien ein. Um die Importabhängigkeit zu verringern, setzt die Regierung auf mehr Effizienz und Erschließung alternativer Energien. Wegen der Wirtschaftskrise wurden Kraftwerkspläne ausgesetzt, am Ausbau führt aber kein Weg vorbei. Der Einsatz regenerativer Energien gilt noch als zu teuer, dafür wirbt der Standort um Hersteller sauberer Energietechnologien.
Singapurs Kraftwerksbetreiber erzeugen 80 Prozent der in dem Stadtstaat verbrauchten Elektrizität mit Gas. Noch zu 15 Prozent kommt Öl für die Stromproduktion zum Einsatz, tendenziell mit fallendem Anteil. Den Rest machen Anlagen aus, die Biomasse, Diesel oder Abfälle einsetzen. Von den installierten Kapazitäten entfielen im September 2009 62 Prozent auf kombinierte Gas- und Dampfturbinenkraftwerke, 35 Prozent auf reine Dampfkraftwerke und 3 Prozent auf andere Verbrennungsanlagen. Die erzeugte Stromenergie belief sich 2009 auf 41.801 Gigawattstunden (GWh).
Der Stadtstaat wird auf absehbare Zeit auf den Import von Gas angewiesen sein, stellt der letzte "National Energy Policy Report" des Ministeriums für Industrie und Handel fest. Über Wasserkraft-, Geothermie- oder Windkraftressourcen verfügt das Land nicht. Kohlekraftwerke sind aus umweltpolitischen Gründen nicht beliebt, daher favorisiert das Ministerium Gas als saubereren Energieträger. Für die Gewinnung von Solarstrom bestehen zwar gute klimatische Voraussetzungen. Die technischen Hürden und hohe Kosten müssten aber noch überwunden werden, heißt es in dem Report.
Die nationale Energiepolitik verfolgt als Ausweg das Ziel, die Energieeffizienz zu verbessern und den Wettbewerb auf dem Energiemarkt zu erhöhen. Außerdem strebt Singapur explizit internationale Kooperationen an. Die Investitionsbehörde Economic Development Board (EDB) profiliert den Standort unter anderem bei Herstellern von Biokraftstoffen, erneuerbarer Energietechnik und Brennstoffzellen. Die Wertschöpfung der Energiewirtschaft soll so von 20 Milliarden Singapur-Dollar (11,2 Mrd. Euro, 1 Euro = 1,79 S$, 3-Monatsmittel) im Jahr 2006 auf 34 Milliarden S$ bis 2015 gesteigert werden.
Die lizensierten Betreiber von Kraftwerken sind: Senoko Power (genehmigte Kapazität 3.300 MW), PowerSeraya (2.700 MW), TuasPower (2.670 MW), Keppel Merlimau Cogen (1.400 MW, davon gehen jeweils 450 MW 2010 und 2011 ans Netz ), Island Power Company (800 MW, 2013 am Netz), Sembcorp Cogen (785 MW), National Environment Agency (251 MW) und Keppel Seghers (24 MW).
Die Versorgungsunternehmen rechnen langfristig mit einem steigenden Energiebedarf sowohl der Haushalte als auch der betrieblichen Abnehmer. Denn die Regierung verfolgt ehrgeizige Entwicklungsziele. So soll die Bevölkerungszahl in den nächsten 50 Jahren von 4,8 auf 5,5 Millionen Einwohner steigen. Der Staat fördert zwar zunehmend die weniger energieintensiven Branchen, wie Biotechnologie, Medizintechnik oder Medienwirtschaft. Andererseits lautet das offizielle Ziel, dass der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der gesamten Wirtschaftsleistung bei rund 25 Prozent gehalten werden soll. Die bisherigen industriellen Schwerpunktbranchen Chemie, Elektronik und Pharmazie dürften bedeutende Kunden der Energiekonzerne bleiben.
Im Laufe der letzten zehn Jahre wuchs der kommerzielle Stromabsatz im Schnitt mit rund 3,4 Prozent jährlich. Er lag 1999 noch bei 27.123 GWh und erreichte 2009 etwa 37.974 GWh. Die Stromnachfrage der Unternehmen war in der Krise stark zurückgegangen und der Anteil der Haushalte am Verbrauch 2009 sprunghaft gestiegen. Im 1. Quartal 2010 stellten sich die Verhältnisse wieder in etwa wie 2008 dar: der erzeugte Strom ging zu 17 Prozent an private Haushalte, zu 41 Prozent an das verarbeitende Gewerbe und zu 42 Prozent in andere Wirtschaftszweige. Aufgrund der starken Erholung der Industrie und einer Hitzewelle wurde eine neue Spitzennachfrage von 6.261 MW erreicht, der Verbrauch stieg um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal auf 9.788 GWh.
Größte Abnehmer von Strom und Wärmeenergie sind Betriebe der Petrochemie. Die Branche wird von drei Raffinerien mit einer Kapazität von zusammen 1,3 Millionen bpd (barrel per day) versorgt. Shell hat Anfang 2010 mit Eröffnung eines neuen 800.000-Tonnen-Äthylen Crackers seinen bisher größten voll integrierten Raffinerie- und Petrochemie-Komplex geschaffen. ExxonMobil will 2011 nachziehen mit Crack-Kapazitäten von 1 Million Tonnen pro Jahr. Um eine unabhängige Energieversorgung sicherzustellen, hat Shell eine 60-MW-Dampfturbine in Betrieb genommen und ExxonMobil baut an einer 220-MW-Anlage mit Kraft-Wärme-Kopplung. Kombinierte Kraftwerkstypen eignen sich besonders für den Bedarf der Chemiewerke. Auch Sembcorp erwägt den Bau eines weiteren Kraftwerks mit Kraft-Wärme-Koppelung für geschätzte eine Milliarde S$ auf Jurong Island, die geplante Leistung beträgt 1.000 MW.
Die Wirtschaftskrise sorgte 2009 für einen Ausfall bei der Energienachfrage. Der weltweite Handel ging zurück, was Singapur als Umschlagplatz traf und die Betriebe hielten sich mit Investitionen zurück oder mussten "dicht machen". Neue Kraftwerksvorhaben wurden zeitweise "auf Eis gelegt". Die drei großen Versorger halten aber an ihren Ausbauplänen fest. Tuas Power holte unter dem neuen Eigentümer China Huaneng Pläne für ein 2 Milliarden S$ teures Kraftwerk schnell wieder aus der Schublade. Die mit Biomasse und Kohle befeuerte 180-MW-Anlage schließt eine Meerwasserentsalzung ein und soll bis 2012 fertiggestellt sein. Ebenfalls auf der Insel Jurong nähert sich das 800-MW-Vorhaben der indischen Gruppe GMR dem Baubeginn. Das gasbefeuerte Industriekraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung für rund 1,2 Milliarden S$ soll ein mit Öl betriebenes Dampfkraftwerk ablösen, der Baubeginn hat sich um sechs Jahre verschoben und wird nach Klärung der Finanzierung im Herbst 2010 erwartet. Zuletzt kündigte der größte Anbieter Senoko ein Repowering-Programm für 750 Millionen S$ an, durch das drei Ölkraftwerke in zwei effiziente Gaskraftwerke umgebaut werden sollen.
Der High-Tech-Stadtstaat möchte sich als globales Entwicklungs- und Produktionszentrum von alternativen Energien etablieren. Auf Ubin Island soll als Experimentierfeld für grüne Energietechnologien ein "Micro-Grid" errichtet werden, das sowohl sauber als auch intelligent ist. Nachdem die Ausschreibung für das Netz 2009 lief, will die Energy Market Authority (EMA) im Laufe des Jahres 2010 Anbieter von erneuerbaren Energien einladen, ihre Technologielösungen einzusetzen. Der nächste Schritt, so Goh Chee Kiong, Direktor für Clean Tech beim EDB, sei es, Singapur in ein "living laboratory" für erneuerbare Energien zu verwandeln. Der EDB hat im Mai 2010 eine Unterstützung für den Sektor von 350 Millionen S$ in den nächsten fünf Jahren zugesagt. Die Mittel sollen unter anderem in die Unterstützung von F&E-Aktivitäten, wie das Solar Energy Research Institute of Singapore (SERIS), fließen.
Die Regierung setzt besonders auf die Solarindustrie und konnte dort einige Investitionen akquirieren. Das Solarwerk der Renewable Energy Corporation (REC) fuhr im 1. Quartal 2010 die Produktion an; bei voller Auslastung der Kapazitäten bis 2012 sollen 740 MW Wafer, 550 MW Solarzellen und 590 MW Module pro Jahr ausgestoßen werden. Gleichzeitig hat das norwegische Unternehmen mit der Zulieferung von Solar-Modulen für Singapurs Changi Airport einen Prestigeauftrag gewonnen, bei dem an Phoenix Solar 123 KWp zugeliefert werden. Die natürlichen Voraussetzungen für den Einsatz von Photovoltaikanlagen sind aufgrund der Äquatornähe günstig. Ein Durchbruch ist ihnen auf dem Inlandsmarkt aufgrund der unzureichenden Wirtschaftlichkeit aber noch nicht gelungen. Auch der dänische Windkrafthersteller Vestas hat 2007 seinen F&E-Hub für Asien in Singapur eröffnet und plant, im Zeitraum von zehn Jahren 500 Millionen S$ zu investieren.
Auch die Kernkraft könnte den Energiemix Singapurs erweitern. Bislang wurde die Technologie aufgrund der Insellage des Stadtstaates eher abgelehnt. Im April 2010 kündigte die Regierung an, dass sie eine Machbarkeitsstudie für ein Atomkraftwerk in Auftrag geben werde. Den Anstoß hierzu hatte Anfang 2010 das "Economic Strategies Committee" gegeben. Es empfahl, den Einsatz von Nukleartechnologie als einen möglichen Weg aus der Versorgungsabhängigkeit von Öl und Gas zu prüfen.
Singapur beabsichtigt, seine Bezüge von Gas auf andere Länder neben Indonesien und Malaysia auszudehnen. Daher begannen Anfang 2010 die Arbeiten an einem 1,5 Milliarden S$ teuren Flüssiggas-Terminal auf Jurong, der 2013 fertiggestellt werden soll. Asiens erster Open-access Multi-User Terminal bietet nach Fertigstellung Kapazität für 3,5 Millionen Tonnen pro Jahr (Mtpa) LNG zum Import oder Re-Export, eine Erweiterung auf 6 Mtpa soll möglich sein. Wegen ausbleibender Gaslieferungen aus Indonesien drohte Fachleuten zufolge Anfang 2010 eine Erhöhung der Elektrizitätspreise für gewerbliche Kunden und Haushalte.
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