Asien Kurier  1/2010 vom 1. Januar 2010
Dubai

Vertrauenskrise am Golf

Dubai braucht einen Kurswechsel. Nachhaltigkeit statt utopischer Visionen.

Von Martin B�ll, Germany Trade & Invest in Dubai

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Das stolze Scheichtum Dubai bittet um ein halbes Jahr Zahlungsaufschub. Mitte Dezember 2009 h�tte Dubai World, eine Investitionsgesellschaft des Emirates, 3,5 Milliarden US$ an Krediten zur�ckzahlen sollen und will oder kann das jetzt offensichtlich nicht.

Zwar ist dies sicherlich eine stattliche Summe, auf der an gro�e Zahlen gew�hnten Arabischen Halbinsel aber kein Betrag, �ber den man auf den ersten Seiten einer Tageszeitung berichten w�rde.

Die im Bau befindlichen oder geplanten Projekte alleine der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Saudi-Arabiens summieren sich derzeit auf zusammen 2.000 Milliarden US$. Dass nun wegen dieses relativ �berschaubaren Kredites nicht nur das Emirat, sondern die gesamte Arabische Halbinsel in ein schlechtes Licht ger�t, ruft �berall Ratlosigkeit und Ver�rgerung hervor. Noch Anfang November 2009 hatte Dubais Herrscher, Scheich Mohammed Bin Rashid Al Maktoum, �ffentlich seine pers�nliche Unterst�tzung f�r die Gruppe bekundet sowie N�rglern und Zweiflern in einer h�chst ungew�hnlichen Wortwahl empfohlen, "den Mund zu halten." Der �berwiegende Teil der Finanzwelt war sich sicher, der Herrscher habe die Lage im Griff, die reichen Vettern im superreichen Nachbaremirat Abu Dhabi w�rden schon im Fall des Falle aushelfen. Haben sie aber nicht.

Was hinter verschlossenen T�ren gelaufen oder nicht gelaufen ist, wird wohl niemals an Tageslicht kommen. Von einer Informationspolitik, geschweige denn Transparenz, konnte in den arabischen Emiraten noch nie die Rede sein, in den Zeiten der Verunsicherung aber setzen fehlende Informationen genau das falsche Signal. Der Spekulation sind nun T�ren und Tore ge�ffnet. Die Bandbreite und Vielseitigkeit der entwickelten Szenarien ist beachtlich. Auf der einen Seite gibt es Optimisten, die meinen, der angefragte Zahlungsaufschub sei nur ein Versuchsballon gewesen, selbstverst�ndlich k�nne Dubai zahlen, wenn die Gl�ubiger auf einer Erf�llung best�nden.

Andere sprechen von einem Warnsignal an den reichen Nachbarn, der wohl zu hohe Bedingungen f�r seine Hilfe verlangt habe und dem der internationale Aufschrei nun zeige, dass er letztendlich im gleichen Boot sitze und deshalb helfen m�sse, um sich nicht selbst zu schaden. Es gibt aber auch Stimmen, die das Schlimmste bef�rchten: Die offizielle Pleite einzelner Staatsfirmen wie zum Beispiel des Bauentwicklers Nakheel, der f�r die k�nstliche Immobilieninsel Palm Jumeirah verantwortlich ist. Ein solcher Konkurs, da sind sich Beobachter einig, w�re ein GAU, von dem sich Dubai kaum wieder erholen k�nnte.

Wie gro� das finanzielle Problem ist, wird sich wohl erst scheibchenweise ermitteln lassen. In Bankenkreisen ist das Vertrauen nach offizielle Verlautbarungen ersch�ttert. Die bislang g�ngige Sch�tzung spricht von 80 Milliarden US$ Schulden in Dubai, davon 59 Milliarden US$ bei Dubai World. Rechnet man jedoch alle unbezahlten Rechnungen zusammen, auch die von Privatpersonen, dann k�nnten es auch 160 Milliarden US$ sein, schreibt die BBC.

Die Gr��enordnung des finanziellen Schadens d�rfte eines Tages feststehen, der Verlust an Glaubw�rdigkeit, aber wird sich nicht beziffern lassen. Der Herrscher von Dubai habe das Erdbeben kommen sehen, statt zu warnen, habe er beschwichtigt, sagen erste arabische Kommentatoren. Das werde man ihm in den Nachbarl�ndern noch mehr �bel nehmen als sonst wo in der Welt. In einer Region, in der Ansehen und Prestige einen sehr hohen Stellenwert haben, wird es als dem�tigend angesehen, wenn wegen Dubai nun auch die Kreditw�rdigkeit anderer Scheicht�mer und Staaten weniger positiv bewertet wird.

Sowohl der Ruf Dubais ist kr�ftig angeschlagen als auch sein Erfolgsmodel mit den prestigetr�chtigen Vorzeigebauten, �ber deren Unterhaltskosten und Nachhaltigkeit bislang niemand gerne reden wollte. �berall auf der Arabischen Halbinsel sind sie dem Beispiel Dubais gefolgt - auch wenn es niemand gerne zugibt. Dubai war bislang die Benchmark. Egal wie viel besser die Nachbarn ihre Projekte finanziert haben, kritische Fragen werden nun auch ihnen gestellt. Die M�rchenst�dte aus tausend und einer Nacht sind in der Wirklichkeit angekommen.

Sollte alles nun doch kein ungl�cklicher Versuchsballon gewesen sein, dann wird Dubai hart daran arbeiten m�ssen, sich neu zu erfinden und neu zu positionieren. Eine neue Bescheidenheit und Nachhaltigkeit w�re nun eigentlich angesagt. Vom Saulus zum Paulus, vom Energieverschwender zum Energiesparer w�re zum Beispiel eine gute neue Strategie. Und eine Kostenkontrolle nach westeurop�ischen Standards, um die Wettbewerbsf�higkeit zu erh�hen. Konzentrierung auf die Gesch�ftsbereiche, in denen Dubai die Nase vorn hat, wie Logistik. Mehr Freiheit f�r Firmen, weniger B�rokratie, bessere Bedarfsanalysen und weniger Visionen.

Niemand sollte Dubai vorzeitig abschreiben, die Fundamente des Hafens Jebel Ali mit seiner Free Zone und angegliederten Dienstleistungssektoren sind grundsolide. Nicht jeder Unternehmer in Dubai ist ein Gl�ckspieler. Deutsche Unternehmen sollten ihren seri�sen Gesch�ftspartnern gerade in dieser schwierigen Zeit nicht den R�cken zukehren. Im Gegenteil: Es sind gerade deutsche Firmen, die Dubai bei einem Kurswechsel zu mehr Nachhaltigkeit und Energieeinsparung helfen k�nnen. Es w�re zudem ein gro�er Fehler, die gesamte Region in einen Topf zu werfen. Dubai ist ein anerkannter Messeplatz, der selbst Besucher aus Zentralasien und Afrika anzieht. Die n�chsten einschl�gigen Dubai-Veranstaltungen sind psychologisch wichtige Pflichttermine.