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Datum: 2022-12-31

Asien Kurier  vom 1. Oktober 2008

Buchbesprechung - Tiger auf dem Sprung

Von Daniel M�ller in Berlin.

Bei der mit gro�er Verve gef�hrten Debatte um den (Wieder-)Aufstieg asiatischer Wachstumszonen wird ein Teil des Kontinents ein wenig stiefm�tterlich behandelt, den man ehedem als �Hinterindien� bezeichnet hat. Die Rede ist von den insgesamt zehn Staaten, die unter dem Rubrum S�dostasien gefasst werden.
Zwar ist deren Bedeutung im Vergleich zu Indien, China und Japan auf den ersten Blick eher nachrangig. Allerdings vernachl�ssigt die losgel�ste Betrachtung der einzelnen Staaten und ihrer jeweiligen (h�chst unterschiedlichen) wirtschaftlichen Potentiale das Faktum, dass die regionale Integration zwischen Yangon und Manila, zwischen Hanoi und Jakarta in letzter Zeit signifikante Fortschritte gemacht hat, sodass der Fokus zunehmend auf die ASEAN-Region mit ihren 560 Millionen Einwohnern als Ganzes gelegt werden muss. Hinzu kommt, dass die ASEAN-Staaten f�r die genannten asiatischen Schwergewichte sowohl als Absatzmarkt als auch als Produktionsstandort immer wichtiger werden. Schon allein aus diesem Grund ist eine intensivere Besch�ftigung mit ihnen angezeigt.
Das Ziel des neuen Buches von Karl Pilny liegt in diesem Sinne einmal darin, Faktenwissen �ber die Region zu vermitteln. Zum anderen soll den dort befindlichen Staaten auch ein St�ck weit zu diskursiver Gerechtigkeit verholfen werden. Pilny geht mit dem ihm eigenen Gesp�r f�r neue, zumindest auf dem Buchmarkt durchschlagende Trends davon aus, dass den altbekannten Tigerstaaten in absehbarer Zeit weitere wirtschaftliche Aufsteiger folgen werden. Dabei charakterisiert er S�dostasien als eine von vielen Unterschieden und Widerspr�chen gepr�gte Weltgegend, in der sich gleichwohl eine staaten�bergreifende affine Werthaltung als Fundament f�r ein kollektives Vorgehen herausgebildet hat. So sei vor dem Hintergrund einer Hegemonie der konfuzianischen Ethik allenthalben ein pragmatischer Umgang mit Religion, eine Wertsch�tzung der Familie, ein Streben nach Harmonie und Konsens sowie ein hohes Leistungsethos gepaart mit einer frugalen Lebensf�hrung anzutreffen. Daneben haben die aus den verschiedenen historischen Epochen stammenden indischen und chinesischen Minderheiten untereinander feinmaschige Wirtschaftsverbindungen gesponnen, die �konomische Austauschprozesse in der Region wesentlich erleichtern.
Nachdem Staaten wie Malaysia, Thailand und vor allem Singapur in der Vergangenheit bereits ansehnliche Wachstumserfolge erzielen konnten, spricht f�r Pilny vieles daf�r, dass nun nach Vietnam auch Indonesien und die Philippinen in den Rang von Wachstums�konomien aufsteigen. Der Autor begr�ndet diese Einsch�tzung mit dem Verweis auf unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungsphasen, in denen sich die L�nder befinden, woraus sich Komplementarit�ten zum allgemeinen Vorteil ergeben: W�hrend Erstgenannte mit fortgeschrittenen Technologien und entwickelten Verbraucherm�rkten aufwarten k�nnen, verf�gen Letztgenannte �ber geringe Arbeitskosten, sodass entsprechende Kooperationen f�rmlich auf der Hand liegen.
Mittel- und langfristig geht Pilny davon aus, dass sich S�dostasien, dessen aggregierte Handelsdaten schon heute diejenigen von Indien klar �bertreffen, bei einem Fortschreiten der integrativen Tendenzen hin zu einem Handelsblock neben S�d- und Ostasien als drittes asiatisches Gravitationszentrum wird etablieren k�nnen. Diesen Umstand angesichts der unvermeidlichen Chinindia-Elogen ins Bewusstsein zu bringen, ist der Verdienst des Buches.

Karl Pilny, Tiger auf dem Sprung. Politik, Macht und M�rkte in S�dostasien, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2008, 330 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978-3-593-38678-2