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Datum: 2022-12-31

Asien Kurier  vom 1. Oktober 2008

Asien - Krisenwellen schwappen nach Asien

Von Daniel M�ller in Berlin.

Seit nunmehr �ber einem Jahr h�lt die US-amerikanische Subprime-Krise die Welt der B�rsen und Finanzen in Atem. Nach den ebenso eilfertigen wie durchschaubaren Beschwichtigungen von Ackermann & Co., dass alles nicht so schlimm und die Talsohle in B�lde durchschritten sei, ereilten die verunsicherte �ffentlichkeit in periodischen Abst�nden immer neue Hiobsbotschaften. Eine neue Qualit�t hat die Krise derweil mit der Schlie�ung der traditionsreichen Investmentbank Lehman Brothers erreicht. Weitere Pleiten infolge des �Finanz-Tsunamis� sind nicht ausgeschlossen.
Hatte sich die Realwirtschaft bis dato erstaunlich immun gegen�ber den Verwerfungen gezeigt, stehen nun ernsthafte Belastungen f�r die Weltwirtschaft zu bef�rchten, erscheint das Gespenst der Rezession bereits am Horizont. Aufgrund der engen Verflechtung ist die Gefahr von Kettenreaktionen f�r den transatlantischen Raum zweifellos am gr��ten. Aber auch andere Weltgegenden geraten zunehmend in den Sog der Ereignisse. Dies gilt auch f�r Asien, womit die These einer Abkoppelung der asiatischen �konomien vom euro-atlantischen Wirtschaftsraum vorerst klar widerlegt w�re.
Dabei sind die asiatischen Banken von den Insolvenzen und Zahlungsausf�llen in den USA nur geringf�gig betroffen, was haupts�chlich an der Struktur des Bankensystems liegt. Angesichts ihres begrenzten Entwicklungsstandes stellten Kreditportfolio-Verk�ufe f�r die asiatischen Banken Neuland dar, weshalb sie sich beim Run auf diese �bombensicheren Anlagen� stark zur�ckgehalten haben. Bei den asiatischen Instituten handelt es sich mehrheitlich immer noch um Allround-Banken, die das Einlagen- und Investmentgesch�ft gleichgewichtig betreiben und daher weniger anf�llig f�r Krisen sind als die spezialisierten Finanzmarktakteure. Damit, dass asiatische Banken in �hnlich schwere Turbulenzen geraten wie ihre westlichen Pendants ist also nicht zu rechnen.
Demgegen�ber stehen eher indirekte, aber nicht weniger neuralgische Ansteckungseffekte: Auch wenn die Binnenm�rkte und der innerasiatische Handel inzwischen deutlich an Bedeutung gewonnen haben, so bleiben die asiatischen Volkswirtschaften weiterhin substanziell von Exporten in den Westen abh�ngig, sodass eine Eintr�bung des dortigen konjunkturellen Klimas inklusive eines damit einhergehenden Nachfrager�ckgangs sp�rbare Folgen f�r Asien hat. Hinzu kommt, dass die zunehmende Skepsis der Investoren in die Stabilit�t der Aktienm�rkte sich auch auf die asiatischen B�rsen �bertr�gt, wodurch dort notwendige Investitionsmittel entzogen w�rden.
Mehr noch: Bei wachsender Unsicherheit tendieren Anleger erfahrungsgem�� dazu, zuvorderst diejenigen Papiere abzusto�en, die sie f�r besonders risikobehaftet halten, und das sind immer auch die aus den (asiatischen) Schwellenl�ndern. Auch werden die in Boomzeiten gern �bersehenen Schw�chen der aufstrebenden Standorte nun mit der Lupe gesucht. Und hat der Kapitalabfluss erst einmal begonnen, treten die hinl�nglich bekannten Herdeneffekte auf, die einen solchen Trend weiter verstetigen. Eine Kapitalflucht aus den Emerging Markets schl�gt sich dabei nicht nur in einem Sinken der diversen Aktienindizes nieder, sondern hat auch Auswirkungen auf die W�hrungskurse, wodurch die Notenbanken zu Interventionen auf den Devisenm�rkten gezwungen werden.
Vor diesem Hintergrund hat die Asian Development Bank (ADB) bereits eine Trendwende im asiatischen Wirtschaftsraum verk�ndet. Waren die letzten Jahre von hohen Wachstumsraten und einer verh�ltnism��ig geringeren Teuerung gekennzeichnet, so prognostiziert sie nun ein langsameres Wachstum, das von einem starken Preisauftrieb flankiert wird. In ihrem k�rzlich vorgelegten Development Outlook 2008 Update geht die ADB davon aus, dass sich das Wachstum in den asiatischen Schwellen- und Entwicklungsl�ndern von 9 Prozent im vergangenen Jahr auf 7,5 in diesem und 7,2 Prozent im n�chsten Jahr abschw�chen wird. Bedenkliche Ausma�e droht indes die Inflationsrate anzunehmen. Diese soll 2008 durchschnittlich bei 7,8 Prozent und im Jahr 2009 bei 6 Prozent liegen.
Obwohl sich die asiatischen �konomien allesamt den Konsequenzen der Finanzkrise nicht entziehen k�nnen, ist ihr Verm�gen sich vor den Auswirkungen zu sch�tzen unterschiedlich stark ausgepr�gt. Entscheidend sind hierbei vor allem gro�e Devisenreserven und stabile Export�bersch�sse, da das wirtschaftliche Wohlergehen dann nicht vom permanenten Zufluss externer Finanzen abh�ngig ist. So steht China mit seinen gigantischen Devisenreserven auf vergleichsweise sicherem Grund, was sich auch in den Wachstumsprognosen niederschl�gt. Nach 10 Prozent in diesem Jahr sollen es im n�chsten immer noch 9,5 Prozent sein. Auch die Inflation ist mit 7 Prozent in 2008 und voraussichtlich 5,5 Prozent im Jahr 2009 verh�ltnism��ig moderat.
Demgegen�ber befindet sich Indien in einer ungleich prek�reren Lage. Nachteilig f�llt besonders ins Gewicht, dass der Gro�teil der ausl�ndischen Investments in Wertpapieren und nicht in Direktinvestitionen angelegt ist. Bei einem Abzug dieser Gelder k�nnte es zu betr�chtlichen Finanzierungsengp�ssen kommen. Entsprechend m��ig sind auch die Wachstumsaussichten. Lediglich 7 Prozent erwarten die ADB-�konomen f�r dieses Jahr � bei einer Inflationsrate von 11,5 Prozent in diesem und 7,5 Prozent im n�chsten Jahr. In Japan, das den am weitesten entwickelten Bankenmarkt besitzt, mussten einige Institute Kredite an US-Banken abschreiben, was deren Bilanzen belastet, wodurch eine Kreditklemme entstehen k�nnte. Auch das Wegbrechen des wichtigen US-Absatzmarktes f�r hochwertige Konsumg�ter d�rfte deutliche Spuren in der japanischen Konjunktur hinterlassen.
So kritisch sich die indirekten Ansteckungseffekte der US-Finanzkrise f�r die asiatischen �konomien auch ausnehmen m�gen, sie bergen auch eine gute Nachricht, denn es handelt sich hierbei in erster Linie um Finanzmarktph�nomene. Sind die Krisenwellen erst einmal verebbt, werden die Fundamentals mit Sicherheit wieder in den Fokus r�cken. Mit einer Finanzspritze von rund 700 Milliarden US-Dollar hat die Regierung in Washington inzwischen f�r eine gewisse Beruhigung an den Finanzm�rkten gesorgt. Auch wenn der globale Finanz-GAU damit vorerst abgewendet sein d�rfte, spricht wenig f�r eine schnelle Erhohlung. Ohne drastische Eingriffe in das System ist eine Normalisierung schwer vorstellbar � und zwar in den USA als auch in Asien. Langfristig orientierte Investoren sollten dennoch nicht in Panik verfallen, die verschiedenen Perspektiven sorgf�ltig analysieren und gegebenenfalls partielle Korrekturen vornehmen.