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Datum: 2023-09-13

Asien Kurier  2/2008 vom 1. Februar 2008

Hongkong - Bauwirtschaft im Aufwind

Von Dr. Roland Rohde, bfai-Korrespondent in Hongkong.

Hongkongs Bauwirtschaft erwartet nach Jahren der Depression eine Trendwende. Die Regierung der Sonderverwaltungsregion k�ndigte Ende 2007 ein riesiges Investitionsprogramm an. Freuen d�rfte es vor allem die einheimischen Branchenunternehmen, denn die ausl�ndische Konkurrenz hat angesichts der schlechten Auftragslage und Ausschreibungsbedingungen der Stadt bereits den R�cken gekehrt. Jedoch bieten sich Anbietern von Baustoffen, Geb�udetechnik sowie von Badezimmer- und K�chenausstattungen beste Lieferchancen.
Obwohl die j�hrlichen Zuwachsraten leicht sinken, zeigen andere Indikatoren nach oben. So herrschte in der ehemaligen britischen Kolonie zur Jahresmitte 2007 praktisch Vollbesch�ftigung. Besonders der Immobiliensektor profitiert vom Aufschwung. Die Mietpreise f�r zentrale B�rofl�chen haben sich seit 2003 mehr als verdoppelt. Auch im privaten Wohnungsbau zogen die Preise, wenn auch nicht so kr�ftig, an.
Der allgemeine Aufschwung ist jedoch bislang nicht beim Bausektor angekommen. So verzeichnete er sowohl 2005 als auch 2006 einen R�ckgang der erbrachten Bauleistung von real jeweils 2 Prozent. Sein Beitrag zur Entstehung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sank derweil von 2,8 auf 2,4 Prozent. In den ersten beiden Quartalen 2007 registrierte die Statistik zwar einen merklichen Aufw�rtstrend, allerdings k�nnen die Zahlen aufgrund der starken Fluktuation des Marktes nicht auf das Gesamtjahr hochgerechnet werden.
Hongkongs Baubranche l�sst sich in drei gro�e Bereiche unterteilen. Der private Wohnungsbau ist der mit Abstand wichtigste Sektor, allerdings auch die am wenigsten lukrative Sparte. Nach Angaben des Rating and Valuation Departments wurden 2006 rund 16.600 Wohnungen fertiggestellt, ein Minus von nahezu 50 Prozent gegen�ber 2001 und ein angesichts einer Bev�lkerung von 7 Millionen sehr niedriger Wert. F�r 2007 wird mit einem weiteren R�ckgang auf nur rund 10.000 bis 12.000 Einheiten gerechnet. Dies k�me einem historischen Tiefstand gleich und l�ge weit unter dem potentiellen Bedarf. Um mehr als der H�lfte der Bev�lkerung die eigenen vier W�nde zu erm�glichen, w�ren laut Planvorgaben um die 80.000 neue Wohnungen pro Jahr notwendig.
Gewerbliche Immobilien stellen ein weiteres bedeutendes Standbein der Branche dar. Besonders im B�robau m�ssen die Unternehmen allerdings mit starken Schwankungen rechnen: W�hrend 2003 und 2004 B�rofl�chen im Umfang von insgesamt fast 600.000 m2 an den Markt gingen, waren es 2005 und 2006 zusammen gerade einmal gut 100.000 m2. Derzeit befinden sich zwei gro�e Wolkenkratzer von knapp 300 Metern beziehungsweise mehr als 400 Metern H�he in Bau, die 2008 und 2009 in der Statistik f�r starke Ausschl�ge nach oben sorgen d�rften.
Auf den privaten wie den gewerblichen Geb�udebau entfallen rund zwei Drittel der gesamten Wertsch�pfung des Sektors, der Rest wird dem Infrastrukturbereich zugesprochen. Das Engagement der �ffentlichen Hand ist jedoch nahezu implodiert. Ihre Bauleistungen gingen zwischen 2000 und 2006 um fast zwei Drittel zur�ck. F�r das Gesamtjahr 2007 zeichnet sich ein neuer Tiefstand ab. Die Ank�ndigung der Regierung stellt daher eine deutliche Kehrtwende dar: Sie will zwischen 2008 und 2018 zehn Megaprojekte mit einem Investitionsumfang von 22 Milliarden Euro umsetzen. Zur Finanzierung hat sie sich gr��tenteils noch nicht ge�u�ert. Die Kassen sind jedoch voll und der Staat verf�gt �ber hohe Reserven, so dass mangelndes Kapital keine Rolle spielen d�rfte.
Lieferchancen bieten sich vor allem Anbietern von Spezialbaustoffen, von Geb�udetechnik sowie von Ausstattungen f�r Badezimmer und K�chen. In zahlreichen Hotels oder B�rot�rmen in Hongkong und Macau kommt deutsche Sicherheits-, Aufzugs- oder Klimatechnik zum Einsatz. In immer mehr modernen Apartmentanlagen sind Elektroger�te, Badewannen oder Armaturen "Made in Germany" zu finden.
Im Jahr 2006 importierte Hongkong Baustoffe im Wert von fast 9 Milliarden Euro. Unternehmen aus Deutschland erzielten dabei einen Umsatz von rund 180 Millionen Euro. Ein Gro�teil der Lieferungen ist f�r den boomenden Bausektor in Macau - die Stadt verf�gt �ber keinen eigenen Containerhafen und bezieht ihre Einfuhren �berwiegend �ber die Terminals der ehemaligen britischen Kolonie - sowie im nahe gelegenen s�dchinesischen Perlflussdelta bestimmt.
Hongkongs Baubranche wird von einigen wenigen gro�en Unternehmen dominiert. Sie verf�gen �ber ausreichend Personal sowie �ber die nonwendigen politischen Verbindungen, um lukrative Gro�auftr�ge an Land zu ziehen. Insbesondere seit der R�ckgabe Hongkongs an die Volksrepublik China k�nnen ausl�ndische Gesellschaften auf dem Markt kaum noch Fu� fassen, wissen Insider zu berichten. Aussichten auf Zuschl�ge bestehen oft nur dann, wenn Spezialkenntnisse, etwa bei der Konstruktion von Hochgeschwindigkeitsstrecken oder Br�cken, gefragt sind. Viele internationale Baukonzerne konnten daher - auch angesichts der geringen Investitionst�tigkeit der �ffentlichen Hand - kaum noch Ums�tze erzielen und kehrten Hongkong den R�cken.
Der letzte in Hongkong verbliebene deutsche Baukonzern, der nach eigenen Angaben in den 1990er Jahren noch Milliardenums�tze in der Sonderverwaltungsregion generierte, gab 2005 seine Lizenz - sie wird zur Teilnahme an �ffentlichen Ausschreibungen ben�tigt - zur�ck und schloss sein B�ro. Zugleich er�ffnete er eine kleine Repr�sentanz im nur wenige Kilometer entfernten Macau. Die ehemalige portugiesische Kolonie erlebt seit der Liberalisierung ihres Gl�cksspielsektors einen selbst f�r chinesische St�dte ungew�hnlichen Boom. US-amerikanische Gesellschaften pumpen zweistellige Milliarden-Euro- Betr�ge in den Bau von integrierten Kasino- und Hotelkomplexen. Ende 2007 er�ffnete das 3.000 Zimmer umfassende Venetian seine Tore. Bis 2012 sollen bis zu zwanzig weitere F�nf-Sterne-H�user folgen.
F�r Anbieter von Ausstattungen - K�chen, B�der, Sicherheitstechnik etc. - sind gute Beziehungen zu den einheimischen Immobilienfirmen sowie zu Architekten wichtig. So werden bei Projekten im privaten Wohnungsbau die Apartments zumeist komplett mit den Produkten von vorher ausgew�hlten Firmen versehen. Ein bekannter deutscher Hersteller von Haushaltsger�ten konnte 2005/06 mehrere hundert Einheiten best�cken. Die Liefervertr�ge im Rahmen weiterer Gro�vorhaben sind nach seinen Angaben bereits unter Dach und Fach.
Auch die K�chenhersteller konnten auf den fahrenden Zug aufspringen und Millionenums�tze erzielen. Die Bauherren bevorzugen zumeist eine Ausstattung aus einem Guss. Wenn bereits Herd oder K�hlschrank aus Deutschland stammen, muss dies der Rest der K�che in der Regel auch. Deutsche Produkte genie�en bei Hongkongs Hausk�ufern und Immobilienfirmen - auch aufgrund einer sehr guten Marketingstrategie - einen hervorragenden Ruf.
Bauunternehmen m�ssen in Hongkong eine Lizenz beantragen. Wichtiges Kriterium f�r die Einstufung in A-, B- und C-Lizenzen ist die Finanzkraft des Antragstellers. Lediglich Firmen der Kategorie A haben die M�glichkeit, an Ausschreibungen f�r Gro�auftr�ge teilzunehmen.