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Asien Kurier  6/2015 vom 1. Juni 2015
China

Wichtige Reformen in China noch offen

Massive Infrastrukturmaßnahmen sollen die Wirtschaft stützen; die soziale Unsicherheit nimmt zu.

Das chinesische Bruttoinlandsprodukt wächst so langsam wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Regierung hatte zwar angekündigt, durch die Zulassung von "mehr Markt" die Privatwirtschaft zu fördern und Ineffizienzen zu verringern. De facto fällt es ihr aber mit Blick auf die soziale Stabilität und den eigenen Machterhalt schwer, die niedrigeren Zuwächse zu akzeptieren. Sie setzt erneut auf staatliche Investitionen sowie auf eine expansive Geldpolitik. Entscheidende Reformschritte unterbleiben.

IWF-Prognose: Wirtschaftswachstum der VR China
Quelle: IWF

Das chinesische Bruttoinlandsprodukt wächst so langsam wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Regierung hatte zwar angekündigt, durch die Zulassung von "mehr Markt" die Privatwirtschaft zu fördern und Ineffizienzen zu verringern. De facto fällt es ihr aber mit Blick auf die soziale Stabilität und den eigenen Machterhalt schwer, die niedrigeren Zuwächse zu akzeptieren. Sie setzt erneut auf staatliche Investitionen sowie auf eine expansive Geldpolitik. Entscheidende Reformschritte unterbleiben.

Die VR China ist in eine Phase geringerer wirtschaftlicher Zuwachsraten eingetreten. Staatspräsident Xi Jinping prägte hierfür im Mai 2014 auf einer Reise in Henan den Begriff der "neuen Normalität" (xin changtai). Dennoch betrug das reale Plus des Bruttoinlandsprodukts auch 2014 noch 7,4%. Für 2015 sind 7,0% anvisiert und wurden im 1. Quartal 2015 nach vorläufigen Angaben erreicht, selbst wenn jüngste Konjunkturdaten auf ein geringeres Wachstum für das Gesamtjahr hinweisen.

Der Internationale Währungsfonds geht daher nur noch von einem BIP-Zuwachs für das Gesamtjahr von 6,8% aus. Absolut gerechnet stellt dies jedoch angesichts eines Bruttoinlandsprodukts von umgerechnet rund 7.775 Milliarden Euro (zum Vergleich: Deutschland 2.904 Milliarden Euro) immer noch einen ganz erheblichen Betrag dar. Trotzdem zeigt sich die Politik zunehmend beunruhigt über die neuen Entwicklungen.

Über Jahrzehnte erlebte China mit dem Beginn der Reformpolitik 1978 einen in der Wirtschaftsgeschichte bislang ungekannten Wirtschaftsaufschwung. In den letzten 36 Jahren (1978 bis 2013) stieg das chinesische BIP inflationsbereinigt im Schnitt um 9,85% per anno. Dies hat die VR China auf den zweiten Platz in der Reihe der weltgrößten Volkswirtschaften nach den USA katapultiert. In Kaufkraftparitäten gerechnet überholte sie die USA 2014 sogar erstmals als weltweit größte Ökonomie, so der IWF. Die chinesische Volkswirtschaft war 2005 erst etwa halb so groß gewesen wie die der USA. In fünf Jahren - also bis 2019 - soll sie 20% größer sein.

Doch angesichts erheblicher Umweltschäden und entstandener Überkapazitäten will die chinesische Regierung umsteuern: weg vom bisherigen export- und investitionsgetriebenen Wachstum hin zu mehr Binnenkonsum sowie weg von einer ausschließlich auf Quantität ausgerichteten Dynamik hin zu mehr Nachhaltigkeit und Qualität.

In der Tat verlieren Investitionen und Exporte als Wachstumstreiber an Bedeutung. So weisen die Zuwächse der Bruttoanlageinvestitionen sowie die Exportquote eine fallende Tendenz auf. Sie bleiben aber nach wie vor zweistellig. Die Exportquote lag in den letzten 15 Jahren im Durchschnitt bei 27,0%, zuletzt 2014 bei 22,7%. Die Produktion energieintensiver und oft umweltschädlicher Industriegüter büßt an Bedeutung ein und die Dienstleistungsbranche etabliert sich allmählich als treibende Kraft.

Ein positives Signal ist der sinkende Energieverbrauch pro erzeugter Einheit BIP. Dieser sank 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 4,8% und im 1. Quartal 2015 gegenüber dem Vorjahresquartal um 5,6%. Ein weiterer Beleg für den Wandel sind die Beiträge der drei Sektoren zum BIP. Danach waren Dienstleistungen 2014 für 48,2% des BIP verantwortlich, die Industrie nur noch zu 42,6% und der Agrarbereich zu 9,2%.

Infrastrukturprojekte sollen Konjunktur stützen
Doch die chinesische Führung setzt weiter auf hohe staatliche Infrastrukturinvestitionen. So stützt sie mit Wohnungsbaumaßnahmen wie günstigeren Zinssätzen weiterhin die Konjunktur. Auch will sie, wie Li Keqiang vor dem Nationalen Volkskongress im März 2015 verkündete, das staatliche Investitionsbudget für Infrastruktur auf 477,6 Milliarden Renminbi aufstocken.

Insgesamt sollen 2015 rund 1,6 Billionen Renminbi in den Ausbau der Infrastruktur fließen. Allein für die Erweiterung des Schienennetzes um 8.000 km sind 800 Milliarden Renminbi sowie für Projekte zum Ausbau der Wasserversorgung weitere 800 Milliarden Renminbi geplant. Bereits im Herbst 2014 hatte die NDRC 21 Infrastrukturprojekte für umgerechnet 91 Milliarden Euro angekündigt. Darin enthalten waren unter anderem der Bau von fünf neuen Flughäfen und 16 neuen Bahnstrecken.

Um die absehbaren Finanzlücken zu füllen, sollen Dritte in Form von Public-Private-Partnership-Modellen ins Boot geholt werden. Zum 1.6.15 sollen neue Regelungen in Kraft treten, die Banken dazu anhalten, PPP-Projekte mit Krediten von bis zu 30 Jahren Laufzeit zu unterstützen. Trotzdem dürfte es, analysierte das Mercator Institute for China Studies (merics), angesichts der sich abkühlenden Wirtschaft schwierig werden, ausreichend private Geldgeber anzuziehen.

Tatsächlich sind den Kommunen 2014 die Einnahmen aus den Verkäufen ihrer Landnutzungsrechte weggebrochen, eine und oft die Haupteinnahmequelle; 2014 erzielten sie hieraus laut China Index Academy Einnahmen in Höhe von 2,3 Billionen Renminbi, rund 27% weniger als 2013. Dies reißt erhebliche Löcher in die lokalen Haushalte. Nach einer Schätzung der Investmentbank China International Capital Corporation stieg die lokale Staatsverschuldung 2014 auf 15 Billionen Renminbi - 25% mehr als im Juni 2013.

Export der VR China
Quelle: IWF

Notwendige Steuerreform bleibt aus

Um den klammen lokalen Kassen Erleichterung von ihrer Schuldenlast zu verschaffen, sollen die chinesischen Banken in den kommenden Monaten die Erlaubnis erhalten, Rettungsanleihen der Verwaltungen gegen solche mit niedrigeren Zinsen und längeren Laufzeiten zu tauschen. Dies verringert zwar den Schuldendienst - nicht aber die Schuldenlast. Das Problem fehlender Einnahmen wird nicht angepackt.

Darüber hinaus versucht die chinesische Zentralbank mit geldpolitischen Maßnahmen die Kreditvergabe an Unternehmen anzukurbeln. Im April wurde der Mindestreservesatz für Großbanken um einen Prozentpunkt auf 18,5% gesenkt. Das ist die zweite Senkung in weniger als drei Monaten und die größte seit Dezember 2008. Außerdem berichtete das Finanzmagazin Caixin, die Zentralbank wolle aus Währungsreserven 32 Milliarden US$ an die China Development Bank und 30 Milliarden an die Export-Import Bank of China auszahlen.

Zumindest über das Problem möglicher inflationärer Tendenzen müssen sich die Entscheider bei einer derartigen Ausweitung der Liquidität derzeit keine Sorgen machen: Der Konsumentenpreisindex stieg 2014 lediglich um 2,0%, für 2015 sind zwar circa 3% angestrebt - tatsächlich kam der Konsumentenpreisindex dank niedrigerer Energiepreise und gesunkener Immobilienpreise im 1. Quartal 2015 nur auf ein Plus von 1,2%. Mit diesem Wert rechnet die Schweizer UBS für das Gesamtjahr. Deshalb sind im Gegenteil bereits Warnungen vor einer möglichen Deflation zu hören.

Während nun vor allem an den Börsen Höchststände gefeiert werden, bestehen begründete Befürchtungen, dass weitere geldexpansive Schritte nur zu bestehenden Ineffizienzen - wie den horrenden Überkapazitäten bei Staatsunternehmen beispielsweise in der Zement- oder Stahlindustrie - beitragen. Zur notwendigen ökonomischen Umstrukturierung - und einer Umlenkung der Ressourcen in die Privatwirtschaft - dürften die Maßnahmen nur bedingt geeignet sein.

Privater Konsum wächst nicht schnell genug
Dagegen will der private Konsum einfach nicht in dem Maße anspringen, wie es erforderlich wäre. Und dies dürfte auch so bleiben, solange es der Regierung nicht gelingt, ein ausreichendes soziales Sicherungssystem zu schaffen, das das Vertrauen der chinesischen Bevölkerung genießt. Zwar wurden in den letzten Jahren ganz erhebliche Anstrengungen beim Aufbau eines landesweiten Krankenversicherungs- und Rentensystems unternommen, doch die Skepsis ist nach wie vor beträchtlich - und dies nicht ohne Grund.

Die Politik steckt daher in einer schwierigen Situation - sie braucht ein ausreichendes Wirtschaftswachstum zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zusätzlicher Einkommen und zur Vorbeugung sozialer Konflikte - nicht zuletzt da auch die Exporte nicht mehr so verlässlich wachsen wie in der Vergangenheit. In der Tat nahmen die Ausfuhren 2014 "nur" noch um 6,1% zu, während sie in den vergangenen 15 Jahren (2000 bis 2014) im Schnitt um 18,9% per annum zugelegt hatten. In den ersten vier Monaten 2015 erreichten sie nur noch ein Plus von 1,6% gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Gründe sind das schwache Wachstum in den wichtigsten Abnehmerländern Europa und den USA, der gegenüber dem Euro starke Renminbi sowie die stark gestiegenen Produktionskosten im Inland vor allem aufgrund der hohen Lohn- und Lohnnebenkosten. Letztere stellen für Unternehmen zunächst einmal kein unlösbares Problem dar, sofern sie mit entsprechenden Produktivitätszuwächsen verknüpft sind. So lagen die Zuwächse der Arbeitsproduktivität zwischen 2002 und 2012 in der Regel über den Lohnsteigerungen.

Arbeitsproduktivität verlangsamt sich
Allerdings hob der von einer sehr ineffizienten Basis kommende Primärsektor den Durchschnitt in der letzten Dekade nicht unerheblich, während Produktivitätsfortschritte in der Produktion deutlich schwerer zu erzielen sind. Im Jahr 2014 erreichten die Produktivitätsgewinne insgesamt mit 72.313 Renminbi pro Kopf nur noch ein Plus von 7,0% gegenüber dem Vorjahr und bewegte sich damit, wie bereits 2013 mit +7,3%, unter dem BIP-Plus.

Diese Problematik wird sich in Zukunft weiter verschärfen. Lohnintensive Betriebe geraten verstärkt unter Druck, wenn die Produktivitätsfortschritte die Lohnzuwächse nicht oder nur bedingt ausgleichen können. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Roboterhersteller in der VR China enorme Zuwachsraten verzeichnen. Wer kann, versucht über Automatisierung Arbeitskosten zu sparen. Im Jahr 2014 wurden in der VR China circa 56.000 Industrieroboter und damit fast ein Viertel der Weltproduktion verkauft, so die International Federation of Robotics (2013: 36.860 Stück; rund ein Fünftel der Weltproduktion).

Zwar nimmt die Zahl der Personen im erwerbstätigen Alter seit 2012 aufgrund der demografischen Entwicklung langsam ab, doch der Druck auf den Arbeitsmarkt bleibt hoch. Erstmals seit 2009 wurden im 1. Quartal 2015 weniger neue Arbeitsplätze geschaffen als in der entsprechenden Vorjahresperiode. Ein Vertreter des Ministry of Human Resources and Social Security führte dies zwar auf eine konjunkturbedingte geringere Nachfrage nach Arbeitskräften in den Städten zurück, nicht grundlos kündigte Li Keqiang im März 2015 an, durch die Förderung von Startups 10 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen zu wollen.

Darüber hinaus ist es für die meisten chinesischen Arbeitnehmer eine völlig neue Erfahrung, dass sich die Lohnspirale neuerdings langsamer dreht als in den vergangen Jahren. Nachdem die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne 2013 noch um 10,1% gestiegen waren, dürfte der Zuwachs laut Career International 2014 nur noch bei 8,3% gelegen haben. Morgan McKinley erwartet für 2015 laut einem im März veröffentlichten Bericht einen durchschnittlichen Gehaltsanstieg zwischen 6 und 8%. Die unsichere Lage auf dem Immobilienmarkt tut ein übriges.

So hat die Streikbereitschaft in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Das in Hongkong ansässige China Labour Bulletin registrierte 2014 insgesamt 1.379 Arbeitskämpfe sowie allein 650 im 1. Quartal 2015. In der Realität dürften die Zahlen höher liegen. Daher bemüht sich die chinesische Politik um Stabilität und versucht die Bevölkerung primär mittels Kampagnen zur Förderung des Nationalstolzes auf Konsens einzuschwören. Ob dies dauerhaft fruchtet und ihr damit gelingt, der wachsenden Unsicherheit Herr zu werden, muss sich erst zeigen.





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