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Datum: 2023-09-11

Asien Kurier  8/2007 vom 1. August 2007

Hongkong - Finanzmetropole Asiens

Von Wolfgang Ehmann, stellvertretender Gesch�ftsf�hrer der AHK Hongkong.

Kaum eine Industrie machte in der j�ngeren Vergangenheit Hongkongs so viele Schlagzeilen wie die Finanzwirtschaft. Banken, Broker und Berater - jeden Tag gibt es eine neue Rekordmeldung.
Antriebsfeder dieser Entwicklung waren unter anderem die Listing festlandchinesischer Unternehmen Unternehmen an der Hongkonger B�rse in Form von �H-Aktien und sogenannter Red Chips. Letzteres sind Firmen aus der Volksrepublik, die entweder beh�rdlich genehmigt gelistet sind, oder solche, die mehrheitlich von festlandschinesischen Interessen kontrolliert werden. Mittlerweile liegt der Anteil dieser Unternehmen bei 45 Prozent der B�rsenkapitalisierung der im Hang Seng Index notierten Aktiengesellschaften. Es hat dem B�rsenbarometer zu historischen H�chstst�nden verholfen.
Dazu geh�rt beispielsweise der B�rsengang der �Industrial and Commercial Bank of China� (ICBC) mit der weltweit gr�ssten Aktienemission von rund 16,4 Milliarden Euro.
M�rkte bewegen sich bekanntlich in Zyklen, daher sollen hier weniger die Sensationsmeldungen der zentrale Fokus sein. Vielmehr gilt es den strukturellen Unterbau zu untersuchen, der das Verh�ltnis der Finanzm�rkte von Hongkong und in China beleuchtet und m�glicherweise R�ckschl�sse auf die Zukunft zul�sst.
Artikel 109 des �Basic Law�, der zwischen Grossbritannien und der Volksrepublik China ausgehandelten Verfassung f�r die Sonderverwaltungsregion Hongkong (ab dem 1. Juli 1997) reflektiert den ausdr�cklichen Wunsch beider Parteien, den Status der Stadt als internationales Finanzzentrum zu erhalten. Die Stadtregierung ist verpfichtet, bei der Gestaltung seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen dieser Massgabe zu entsprechen. Die Tatsache, dass eine solche Vorschrift im Grundgesetz verankert wurde, spricht f�r die Entschlossenheit beider Seiten, die exponierte Rolle Hongkongs auch nach dem Souver�nit�tswechsel weiter bestehen zu lassen. Historisch ist das nur folgerichtig, denn die Voraussetzungen waren in diesem Finanzzentrum schon zu Zeiten der Formulierung der Verfassung in den fr�hen 80iger Jahren l�ngst gegeben. Ungew�hnlich ist auch, eine solche Vorgabe in einem Dokument der Verfassung zu verankern. Es impliziert eine Vorbestimmung und Vision, vor allem der politischen Herren in Beijing, wie die zentralen Standorte und Wachstumsregionen der Volksrepublik sich zuk�nftig positionieren k�nnen.
Das Konzept von einem Land mit zwei Systemen beschreibt die sozialistische Marktwirtschaft Chinas auf der einen Seite und die kapitalistische freie Marktwirtschaft Hongkongs auf der anderen. Auf die Finanzwirtschaft bezogen ist dies die Kombination eines verh�ltnism�ssig geschlossenen, sich aber entwickelnden Systems in China und eines offenen, entwickelten, effizienten und hoch wettbewerbsf�higen System in Hongkong, welches auf auf einer langen Geschichte freier marktwirtschaftlicher Prinzipien basiert. Die resultierenden Unterschiede erm�glichen den Marktteilnehmern die jeweiligen relativen St�rken und Schw�chen zur Wohlstandsmehrung zu nutzen. Die Schaffung entsprechender Kommunikationskan�le geh�rt zu den Errungenschaften der j�ngeren Vergangenheit in der Kooperation der Verwaltungen dies- und jenseits der Grenze.
Eine hohe Sparneigung auf dem Festland von rund 45 Prozent und eine boomende Exportindustrie bedeuten reichlich vorhandene liquide Mittel, die nach ertragsbringender Verwendung suchen. Mangelnde Breite und Tiefe der Finanzm�rkte in China, sowohl f�r institutionelle als f�r private Anleger, verst�rkt durch die Devisenkontrollmechanismen, sind teilweise eine Erkl�rung f�r den spektakul�ren Aufstieg, besonders der B�rse in Shanghai.
In der j�ngeren Vergangenheit wurde daher auf h�chster politischer Ebene ein Massnahmenkatalog verabredet, welcher den beiderseitigen Kapitalfluss erleichtern helfen soll. Eine nicht unwichtige Rolle spielt dabei der wachsende Unmut in den USA �ber den nachhaltigen, drastischen Handelsbilanz�berschuss der Volksrepublik und den stetig lauter werdenden Stimmen nach einer Aufwertung des chinesischen Yuan, um diesem Trend entgegen zu wirken. In diesem Prozess spielt der Finanzplatz Hongkong eine instrumentale Rolle: zum Einen ist die Stadt schon heute die gr�sste Quelle ausl�ndischer Kapitalbeschaffung f�r festlandschinesischer Unternehmen; jene Gesellschaften geben hier inzwischen mehr Aktien aus als in London oder an der New Yorker Wallstreet. Gleichzeitig werden mehr M�glichkeiten f�r inl�ndische Anleger geschaffen, um ihr Geld ausserhalb der Volksrepublik anzulegen. Bislang bleibt dieser Weg allerdings noch den institutionellen Anlegern in China vorbehalten (QDII, Qualified Domestic Institutional Investor), haupts�chlich lokale Banken. Dieses Modell erm�glichte beispielsweise einer chinesischen Bank eine drei Milliarden US-Dollar schwere Beteiligung am US-amerikanischen Hedge Fonds Blackstone. Dass diese Transaktion massgeblich durch einen Hongkonger Kontakt vermittelt wurde, demonstriert sehr anschaulich das Zusammenspiel der Finanzm�rkte in China, Hongkong und dem Rest der Welt.
Auf l�ngere Sicht wird die Entwicklung der inl�ndischen Finanzm�rkte eine herausragende Rolle spielen. China ist schon heute die zweitgr�sste Volkswirtschaft in Asien und die viertgr�sste der Welt. Mit Blick auf die hohe Sparneigung und die wirtschaftliche Gr�sse gilt es Instrumente zu entwickeln, die den effektiven Kapitalfluss innerhalb des Landes, wie auch �ber die Landesgrenzen hinaus, zu erm�glichen. Mit dem hohen Grad der Expertise und Internationalisierung d�rfte der Finanzmetropole in diesem Prozess auch zuk�nftig eine bedeutende Rolle zukommen.
Dies soll unter anderem mit einer zunehmenden Pr�senz ausl�ndischer Geldinstitute auf dem Festland erreicht werden. Hier besteht zweifellos ein Heimvorteil bei den Hongkonger Banken, die auf Grund ihrer Marktn�he und ihres sprachlichen und kulturellen Verst�ndnisses einen Vorsprung geniessen. Schon in der Vergangenheit wurden Fortschritte erzielt, um ausl�ndischen Instituten den Markteintritt zu erleichtern. Daneben arbeiten die Regierungsbeh�rden auf beiden Seiten daran Investoren auf dem Festland gr�ssere Anlagem�glichkeiten auf beiden Seiten zu schaffen. Dazu soll der Erwerb von �H�-Aktien geh�ren. Ein weiterer wichtiger Schritt wird der Ausbau von Transaktionen in Festlandsw�hrung Yuan (Renmimbi) abzuwickeln sein. Die technischen Voraussetzungen hierf�r sind bereits geschaffen. Schliesslich gilt es die institutionellen Infrastruktur der Finanz- und Regulierungsbeh�rden st�rker zu vernetzen. Hongkong wickelt schon heute einen guten Teil des internationalen Zahlungsverkehrs f�r die Volksrepublik ab und ist bestens positioniert diese Funktion weiter auszubauen.
Wie schon in anderen Bereichen wird auch in der Finanzwirtschaft die Symbiose der Formel �ein Land, zwei Systeme� offenbar. Die Stadt bietet ideale Voraussetzungen als Experimentierfeld und Testlabor f�r die Umsetzung festlandschinesischer Wirtschaftspolitik in einem kontrollierten Umfeld. Hier lassen sich in kleinen Schritten einzelne Komponenten einer gr�sseren Gesamtheit testen und die Auswirkungen von Massnahmen simulieren, ohne die Stabilit�t der Volkswirtschaft zu riskieren. Gliechzeitig profitieren beide Parteien von den neu geschaffenen Synergien, die langfristig beiden Systemen mehr Wohlstand bringen.