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Asien Kurier  7/2010 vom 1. Juli 2010
Thailand

Wirtschaft zieht Bilanz nach den Krawallen

Verluste f�r die Tourismus und den Einzelhandel

Von Alexander Hirschle, Germany Trade & Invest in Bangkok

Nachdem sich der Pulverdampf über den Straßen der thailändischen Hauptstadt Bangkok verzogen hat, beginnen die Experten, die Kosten der politischen Unruhen zwischen März und Mai 2010 zu beziffern. Die Schätzungen sind bisher noch recht vage. Klar ist, dass vor allem Einzelhandel und Tourismus unter den Unruhen im dem südostasiatischen Land zu leiden hatten. Gleichwohl hält die konjunkturelle Erholung der Wirtschaft insgesamt an. Die Regierung erwägt zusätzliche Steueranreize für ausländische Investoren.

Das Minus in Thailands Tourismus- und Einzelhandelssektor war bis Ende April auf 60 bis 90 Milliarden Baht (1,43 bis 2,15 Mrd. Euro, 1 Euro = 41,92 Baht, 3-Monatsmittel) geschätzt worden. Im selben Monat brach die Zahl der ausländischen Besucher um fast 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat ein. Die Auslastungsrate der Hotels im Stadtzentrum von Bangkok, die im 1. Quartal 2010 noch bei rund 70 Prozent gelegen hatte, sank im April 2010 auf 40 Prozent. Einige der meist im Luxussegment operierenden Häuser mussten sich sogar mit Belegungsquoten von 10 Prozent begnügen.

Deutsche Hotelmanager äußern im Gespräch mit Germany Trade & Invest ihre tiefe Frustration über die Entwicklung der vergangenen Wochen. "Die Arbeit eines ganzen Jahres wird innerhalb kurzer Zeit zu nichte gemacht. Das kann man nicht mehr reinholen bis Dezember", so die Stimmen. Auch in den normalerweise vor "Sonnenanbetern" überquellenden Touristenzentren in den Feriengebieten von Phuket oder Ko Samui zeigten sich im Mai 2010 nur versprengte Häuflein von Badegästen.

Branchenkenner erwarten ein weiteres Abflauen der Touristenzahlen im 2. und im 3. Quartal 2010. Denn die Buchungen bei den Reiseveranstaltern zeigten im April und Mai angesichts der teils dramatischen Bilder aus Bangkok, die via TV weltweit ausgestrahlt wurden, deutlich nach unten. Erst gegen Ende des Jahres könne eine Trendwende erwartet werden, falls bis dahin die politische Lage stabil bleiben und es zu keinen größeren Ausschreitungen mehr kommen sollte.

Die rückläufige Zahl ausländischer Besucher drückt auch auf die Umsätze des Einzelhandels - vor allem im Hochpreissegment, der ohnehin durch die wochenlangen Schließungen der Shopping-Center in der Ratchadamri-Region von Bangkok stark beeinträchtigt worden ist. Relativ glimpflich kamen Kettenläden davon, die ihre Geschäfte regional stärker diversifiziert oder vorwiegend in der Nähe ihrer Kundschaft in den Wohngegenden außerhalb des Stadtzentrums platziert haben. Handelsvereinigungen planen sogenannte "Recovery Campaigns" im Bangkoker Stadtzentrum, um das Vertrauen der Verbraucher wieder aufzubauen.

Mehrere Geschäfte und Shopping Center wurden dort im Zuge der Unruhen zerstört und sollen bis Anfang 2011 zumindest teilweise renoviert oder wieder aufgebaut werden, diverse Marketingaktionen die Kauflust der Konsumenten ankurbeln. Der private Konsum wird offiziellen Prognosen zu Folge 2010 real um mehr als 4 Prozent zunehmen. Dennoch dürften angesichts der jüngsten Ereignisse die Mietpreise für Gewerbeimmobilien im Einzelhandel in den kommenden Monaten zu leiden haben, was sich wiederum negativ auf die Baubranche in diesem Bereich auswirken würde.

Auch die Investitionsbereitschaft privater Unternehmen wird unter den Vorkommnissen leiden. Zwar gehen die Regierungsprognosen für 2010 von einem Plus der privaten Engagements um real mehr als 8 Prozent aus. Die Projektanträge bei der Investitionsbehörde Board of Investment (BOI) hatten schon 2009 überraschend einen neuen Rekordwert von 723,4 Milliarden Baht erreicht. Dennoch dürften sich Unternehmer in den kommenden Wochen und Monaten eher in Wartestellung begeben; mit einer Flut von neuen Investitionsanträgen rechnet kein ernst zu nehmender Ökonom in Bangkok. Der Vertrauensindex der verarbeitenden Industrie (Industrial Confidence Index) zeigte im April 2010 zum Vormonat einen Rückgang von 101,6 auf 99,3 Punkte. Allerdings geht die Federation of Thai Industries (FTI) nicht davon aus, dass Projekte in andere Länder umgeleitet werden.

Pressemitteilungen zu Folge plant die thailändische Regierung vor dem Hintergrund der Unruhen erhebliche Steuererleichterungen für ausländische Unternehmen, um die Ansiedlung von Investitionen wieder nach oben zu hieven. Inwiefern dies umgesetzt wird, muss noch abgewartet werden. Juristen raten internationalen Firmen, die Entwicklung in diesem Bereich genau zu verfolgen, um auf Änderungen schnell reagieren zu können.

Trotz der Hiobsbotschaften gibt es durchaus auch Licht am Horizont. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Thailands zog in den ersten drei Monaten 2010 nach Schätzungen um rund 12 Prozent im Vergleich mit derselben Vorjahresperiode an - gleichbedeutend mit dem höchsten realen Quartalszuwachs seit mehr als einer Dekade. Während das BIP im Vorjahr noch um 2,3 Prozent nach unten zeigte und damit das erste Minus seit der Asienkrise ab 1997 verzeichnen musste, bewegen sich die Prognosen der Bank of Thailand (BOT) für das Gesamtjahr 2010 zwischen 4,3 und 5,8 Prozent Zuwachs.

Dabei seien die politischen Risiken bereits "eingepreist", wie die Währungshüter in ihrem monatlichen Bulletin Anfang Mai 2010 versicherten. Auch andere Organisationen und Forschungsinstitute gehen in ihren Prognosen von ähnlich hohen Wachstumsraten in 2010 aus, da die wichtigsten Stützen der thailändischen Wirtschaft die Unruhen relativ unbeschadet überstanden hätten.

So stiegen die Exporte - die für mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung verantwortlich zeichnen - in den ersten vier Monaten 2010 um 32,5 Prozent im Vergleich mit derselben Vorjahresperiode. Die Einfuhren schossen im gleichen Zeitraum sogar um fast 55 Prozent in die Höhe. Da weder die Seehäfen noch die Airports des Landes von den Unruhen betroffen waren, setzten nahezu alle exportorientierten Sektoren ihren bereits im Herbst 2009 sich abzeichnenden Aufwärtstrend unbeeindruckt fort.

Allen voran glänzte die Kfz-Industrie mit imposanten Absatzzahlen - allerdings von einer durch die globale Wirtschaftskrise bedingten niedrigen Basis aus. Die Exporte von Fahrzeugen explodierten nach Angaben der FTI im April 2010 um 99 Prozent im Vergleich mit demselben Vorjahresmonat. In den ersten vier Monaten belief sich die Steigerungsrate der Kfz-Ausfuhren immer noch auf ansehnliche 64 Prozent. Die Produktion der thailändischen Fahrzeugschmieden konnte im selben Zeitraum um 93 Prozent ausgeweitet werden, der inländische Absatz immerhin um 44 Prozent. Für das Gesamtjahr 2010 belaufen sich die Prognosen bei Produktion und Ausfuhren auf ein Plus von jeweils rund 40 Prozent.

Eine "V-förmige" Erholung zeichnet sich im 2009 stark gebeutelten Elektroniksektor ab. Weniger konjunktursensible Bereiche wie die Nahrungsmittel- und Verpackungsindustrie rechnen für 2010 immer noch mit einem Wachstum in einer Größenordnung von rund 10 Prozent. Ähnliches gilt für Textilien und Bekleidung, bei denen die Umsatzprognosen zwischen 5 und 10 Prozent Plus schwanken. Der Bedarf an pharmazeutischen Produkten und Kosmetika ist anhaltend hoch.

Der Chemiesektor blickt ebenfalls positiv in die Zukunft, da sich die Nachfrage aus den wichtigsten Abnehmerbranchen, wie Informationstechnik, Elektronik, Kfz und Textilien, mit großen Schritten erholt. Auch die lokale Tochtergesellschaft der Firma Bayer wird 2010 weitere 11 bis 12 Millionen US$ investieren. Der Geschäftsführer von Bayer Thai, Dominikus von Pescatore, ließ in der lokalen Presse verlauten, dass er trotz der politischen Unruhen weiterhin optimistisch bezüglich der Geschäftsperspektiven sei: "Wir rechnen für 2010 mit einem zweistelligen Wachstum in Thailand".

Die Baubranche dürfte 2010 stark vom Konjunkturpaket der Regierung profitieren, das Investitionen in Höhe von umgerechnet rund 30 Milliarden Euro bis 2011 - vorwiegend in Infrastrukturvorhaben - vorsieht. Bereits in den ersten Monaten hatten zahlreiche Projektentwickler und Materialhersteller meist zweistellige Umsatzprognosen für das laufende Jahr abgegeben. Auch die Stahlbranche schreibt wieder "schwarze" Zahlen im zweistelligen Bereich. Der Fachverband geht davon aus, dass internationale Firmen weiterhin Interesse am Aufbau von Fabriken im "Upstream"-Bereich zeigen.

Die politische Entwicklung bleibt dagegen das größere Risiko in Unternehmerkreisen. Bereits seit 2006 zeigen sich die Verhältnisse in Thailand als sehr fragil und mündeten in gewaltsamen Auseinandersetzungen sowie in der tagelangen Sperrung von Flughäfen Ende 2008. Seit Anfang März 2010 hatte sich die Situation in Bangkok deutlich verschärft mit der Ausrufung des Ausnahmezustands sowie zahlreichen Toten und Verletzten bei Auseinandersetzungen zwischen der Opposition - den sogenannten "Rothemden" - auf der einen sowie Polizei und Militär auf der anderen Seite. Beobachter gehen davon aus, dass Thailand noch über einen längeren Zeitraum politisch unruhige Zeiten bevorstehen.